Kompetenzregelung in der Aktiengesellschaft
Die Aktiengesellschaft verfügt über drei gesetzlich vorgeschriebene Organe. Es sind dies die Generalversammlung, der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle. Unter Umständen kann einzig auf die Revisionsstelle verzichtet werden (sog. Opting-Out). Sowohl Generalversammlung als auch Verwaltungsrat sind hingegen eine gesetzliche Pflicht. All diese Organe haben verschiedene Aufgaben und Kompetenzen. Nachfolgend wird aufgezeigt, welche (unübertragbaren) Kompetenzen dem jeweiligen Organ gesetzlich und statutarisch auferlegt werden. Der Fokus richtet sich dabei auf die Kompetenzverteilung zwischen der Generalversammlung und dem Verwaltungsrat.
Allgemeines
Die jährliche Generalversammlung ist das oberste Organ der Aktiengesellschaft. Der Verwaltungsrat ist daneben das oberste Aufsichts- und Gestaltungsorgan der Aktiengesellschaft. Gemäss Obligationenrecht (OR) führt der Verwaltungsrat die Geschäfte selbst oder er überträgt die Geschäftsführung an Dritte (was die Regel ist). Der Verwaltungsrat ist zuständig für alle Angelegenheiten, die nicht durch das Gesetz oder Statuten der Generalversammlung zugewiesen sind. Für diese Angelegenheiten räumt das Gesetz dem Verwaltungsrat auch ein Delegationsrecht ein – konkret bedeutet dies die Einsetzung eines Geschäftsführers. Das OR bestimmt aber dennoch, dass einige Aufgaben unübertragbar beim Verwaltungsrat verbleiben und damit nicht delegierbar sind. Das gleiche gilt für Aufgaben der Generalversammlung.
Das Gesetz sieht demnach bestimmte Aufgaben und Kompetenzen als unübertragbare Angelegenheiten bestimmter Organe vor. Nachfolgend wird aufgezeigt, welche Aufgaben den jeweiligen Organen zugewiesen werden.
Unübertragbare Kompetenzen der Generalversammlung
Gesetzlich werden der Generalversammlung namentlich die Festsetzung und Änderung der Statuten, die Wahlen der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle, die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie die Genehmigung des Geschäftsberichts unübertragbar zugewiesen (Art. 698 Abs. 2 OR). Weiter bleibt neben weiteren eindeutigen Verweisen im OR die Kompetenz zur Beschlussfassung über eine ordentliche Erhöhung des Aktienkapitals (Art. 650 Abs. 1 OR) der Generalversammlung vorbehalten. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften weist das Gesetz unter anderem auch die Wahl des Präsidenten des Verwaltungsrates der Generalversammlung zu, was bei Aktiengesellschaften, welche nicht an der Börse kotiert sind, statutarisch der Generalversammlung oder auch dem Verwaltungsrat zugewiesen werden kann (Art. 712 Abs. 2 OR). Die Statuten können der Generalversammlung weitere Kompetenzen zuweisen. Kompetenzen, welche nicht durch das Gesetz unübertragbar an ein anderes Organ übertragen werden, können demnach durch die Statuten in den Aufgabenbereich der Generalversammlung fallen. Diese sind aber dann nicht unübertragbar, sondern es besteht die Möglichkeit, dass die Generalversammlung mit einer Statutenänderung die Kompetenz wieder einem anderen Organ (bspw. dem Verwaltungsrat) zuweist. Fraglich ist bei solchen statutarischen Kompetenzordnungen, wie vorzugehen ist, wenn die Statuten der Generalversammlung die Kompetenz für eine an sich unübertragbare Aufgabe des Verwaltungsrates (Art. 716a OR) übertragen.
Unübertragbare Kompetenzen des Verwaltungsrates
Der Verwaltungsrat ist gemäss Art. 716 Abs. 1 OR für alle Angelegenheiten zuständig, welche nicht durch Gesetz oder Statuten der Generalversammlung obliegen. Ähnlich wie bei der Generalversammlung räumt das Gesetz dem Verwaltungsrat dabei verschiedene unübertragbare Kompetenzen zu. Unentziehbar und unübertragbar dem Verwaltungsrat zugewiesen sind namentlich die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen, die Festlegung der Organisation, die Ernennung und Abberufung der Geschäftsführung, die Erstellung des Geschäftsberichts (dessen Genehmigung eine unübertragbare Kompetenz der Generalversammlung ist) und die Vorbereitung der Generalversammlung (Art. 716a OR). Unübertragbar und unentziehbar bedeutet dabei auch, dass nicht einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates mit einer Kompetenz betraut werden. Einzig der Gesamtverwaltungsrat als Organ kann derartige Aufgaben wahrnehmen.
Damit dient der Verwaltungsrat als Kompetenzauffangbecken. Alles, was nicht durch Gesetz oder Statuten der Generalversammlung übertragen wird, obliegt damit dem Verwaltungsrat. Er selbst hat unentziehbare und unübertragbare Kompetenzen selbst zu besorgen, kann andere Angelegenheiten aber an eine mit der Geschäftsführung betrauten Person delegieren. Mit der Position als Kompetenzauffangbecken ermöglicht das Aktienrecht eine lückenlose Kompetenzordnung nach dem Motto, was nicht gesetzlich oder statutarisch der Generalversammlung vorbehalten bleibt, fällt in die Zuständigkeit des Verwaltungsrates.
Zuweisung zusätzlicher Kompetenzen durch die Statuten
Wie bereits aufgeführt, können die Statuten vorsehen, dass zusätzliche Kompetenzen an ein jeweiliges Organ abgegeben werden. Diese Kompetenzverteilung kann in Form einer statutarischen Bestimmung erfolgen. Wird aber mit einer statutarischen Bestimmung eine unübertragbare Aufgabe des Verwaltungsrats, z.B. die Benachrichtigung des Gerichts im Falle einer Überschuldung (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 7 OR) statutarisch an die Generalversammlung übertragen, liegt eine Delegation einer unübertragbaren Aufgabe vor. Die Kompetenz verbleibt beim Verwaltungsrat. Zulässig ist es allerdings, im Rahmen einer Konsultativabstimmung anlässlich der Generalversammlung darüber zu befinden und so auch die Meinung der Generalversammlung abzuholen.
Eine Delegation nach «oben», wie beispielsweise die Übertragung der Geschäftsführung an die Generalversammlung, ist wohl auch bei entsprechender statutarischer Grundlage unzulässig.
Fazit
Im Ergebnis sind die verschiedenen Kompetenzen stark durch das Gesetz vorgegeben. Immerhin hat die Aktiengesellschaft die Möglichkeit, übertragbare Aufgaben einem anderen Organ zuzuweisen. Dies kann sich unter Umständen als zweckmässig erweisen.