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Rächtzytig

Bauarbeiten im Stockwerkeigentum – Wer entscheidet? Wer trägt die Kosten?

Bauarbeiten im Stockwerkeigentum – Wer entscheidet? Wer trägt die Kosten?

Franco Crespi, Notar
Jan Alexander Kump, MLaw, Sachbearbeiter

Bei einer Baute im Stockwerkeigentum stehen Bauarbeiten an. Wer trifft die Entscheidungen? Wer trägt die Kosten? Dieser Artikel gibt einen Überblick.

Grundsatz und Besonderheiten im Stockwerkeigentum

Über bauliche Massnahmen entscheidet grundsätzlich die Eigentümerschaft und diese hat auch die Kosten dieser Bauarbeiten zu tragen. Aufgrund der Mehrzahl von Eigentümern stellen sich bei Bauten im Stockwerkeigentum zusätzliche Fragen bezüglich der Zuständigkeit für den Entscheid, der Entscheidfindung und der Verteilung der Kosten.

Um die Fragen zu beantworten, ist ein Blick auf die Besonderheiten des Stockwerkeigentums erforderlich.

Wenn an einem Grundstück Stockwerkeigentum geschaffen wird, bedeutet dies, dass das Grundstück rechtlich in einzelne Miteigentumsanteile aufgeteilt wird. Jeder Anteil bekommt eine sogenannte Wertquote zugeteilt, welche den Wert des Anteils am gesamten Grundstück abbildet. Die Anteile (Stockwerkeinheiten) werden vom Gesetz wie eigene Grundstücke behandelt, können also z.B. selbstständig verkauft oder verpfändet werden. Zudem wird mit dem Anteil ein Sonderrecht an bestimmten Räumen der Baute verknüpft (was man im Volksmund unter „Eigentumswohnung“ versteht).

Alle übrigen Teile des Grundstücks bzw. des Gebäudes, an denen kein Sonderrecht besteht, stellen sogenannte gemeinschaftliche Teile dar. Dies sind z.B. die Aussen- und Dachflächen sowie Treppen, Liftanlagen, Verkehrs- und Umgebungsflächen sowie weitere Anlagen und Einrichtungen, welche der Gemeinschaft dienen. An solchen gemeinschaftlichen Teilen können mittels Reglement Sondernutzungsrechte begründet werden, falls einer der Stockwerkeigentümer gewisse Teile ausschliesslich nutzen können soll (z.B. Gartensitzplätze oder Dachterrassen).

Die Unterscheidung in „Teile im Sonderrecht“ und „gemeinschaftliche Teile“ ist für die Zuständigkeit zum Entscheid und die Kostentragung von Bedeutung.

Teile im Sonderrecht

An den Teilen im Sonderrecht hat der Eigentümer des jeweiligen Anteils eine ähnliche Rechtsposition wie der Alleineigentümer eines Grundstücks. So kann er z.B. über den Innenausbau und die Gestaltung dieser Räume selbstständig entscheiden, soweit dies mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar ist und beispielsweise nicht in die Statik eingegriffen wird. Entsprechend gehen die Kosten für solche bauliche Massnahmen vollständig zulasten des jeweiligen Stockwerkeigentümers.

Gemeinschaftliche Teile – Beschlussfassung

Betreffen die baulichen Massnahmen gemeinschaftliche Teile, ist grundsätzlich die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer für den Entscheid zuständig (vorbehältlich gewöhnlicher Verwaltungshandlungen, welche jeder Eigentümer allein vornehmen kann). Somit erfordern diese baulichen Massnahmen einen Beschluss der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft. Der Beschluss muss einerseits die Durchführung der baulichen Massnahme und andererseits die Kostentragung umfassen. Falls kein solcher Beschluss vorliegt, ist die bauliche Massnahme grundsätzlich unzulässig. Ebenso ist in der Regel keine Verteilung der Kosten auf die weiteren Stockwerkeigentümer möglich.

Der Beschluss der Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer hat je nach Art der baulichen Massnahme mit unterschiedlichen Quoren zu erfolgen:

  • Notwendige: Dies sind Massnahmen, die für den Erhalt des Wertes und der Funktionsfähigkeit der Baute erforderlich sind. Betreffend das Beschlussquorum ist die Mehrheit der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft nach Köpfen erforderlich.
  • Nützliche: Diese Massnahmen verbessern die Gebrauchsfähigkeit oder die Wirtschaftlichkeit der Liegenschaft oder führen zu einer Wertsteigerung. Für den Beschluss ist die Mehrheit der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft nach Köpfen und zusätzlich nach Wertquoten erforderlich.
  • Luxuriöse: Diese baulichen Massnahmen dienen bloss der Verschönerung der Liegenschaft oder der Bequemlichkeit im Gebrauch, dem Prunk oder dem Vergnügen. Der Beschluss über solche Bauarbeiten muss einstimmig erfolgen.

Siehe für weitere Ausführungen zur Beschlussfassung sowie zur Möglichkeit der Abänderung der vorgenannten gesetzlichen Quoren auch die folgenden Beiträge in unserer „Rächtzytig“:

„Bauliche Massnahmen in der Stoweg und MEG“ – Rächtzytig, Ausgabe Juni 2022

„Das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft und die umstrittene Frage über die Änderung des Beschlussquorums“ – Rächtzytig, Ausgabe Juni 2024

Falls bei notwendigen Massnahmen (bauliche, aber auch andere) ein Beschluss der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft nicht zustande kommt, kann sich ein Eigentümer allenfalls vom Gericht zur Vornahme ermächtigen lassen. In diesem Fall ersetzt der Entscheid des Gerichts den Beschluss der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft.

Wenn eine notwendige Massnahme zudem dringlich ist (wenn Schaden an der Liegenschaft droht oder bereits eingetreten ist), ist eine Vornahme auch gegen den Willen der Mehrheit und ohne Anrufung des Gerichts möglich (Not kennt kein Gebot).

In diesem Kontext sei aber auf den Bundesgerichtsentscheid BGer 5A_831/2020 vom 29. Juni 2021 hingewiesen. Ein Stockwerkeigentümer hatte ohne vorgängige Beschlussfassung durch die Gemeinschaft diverse, bis zu 70 Jahren alte, Werkleitungen erneuern lassen und sich auf die Dringlichkeit berufen.

Da im vorliegenden Fall die Leitungen trotz des hohen Alters weder undicht waren, noch sonst ein unmittelbarer Schaden drohte, hat das Bundesgericht die Dringlichkeit dieser baulichen Massnahme verneint. Das Erreichen der statistischen Lebenserwartung der Leitungen für sich allein begründet die Dringlichkeit der Massnahme somit nicht. Da kein gültiger Beschluss der Gemeinschaft über die bauliche Massnahme bzw. die Kostentragung vorlag, musste der ausführende Stockwerkeigentümer die Kosten am Schluss selbst übernehmen.

Gemeinschaftliche Teile – Kostentragung

Die Kosten betreffend die gemeinschaftlichen Teile werden grundsätzlich entsprechend den Wertquoten auf die Stockwerkeigentümer verteilt. Wer also z.B. über einen Stockwerkeigentums-Anteil mit einer Wertquote von 3/10 verfügt, hat auch 3/10 der anfallenden Kosten zu tragen.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenverteilung nach Wertquoten besteht für nützliche Massnahmen, welche von einem Stockwerkeigentümer unzumutbare Aufwendungen verlangen würden, insbesondere weil sie in einem Missverhältnis zum Vermögenswert seines Anteils stehen. Wenn dieser Stockwerkeigentümer der Massnahme nicht zustimmt, kann diese nur durchgeführt werden, falls die Aufwendungen von den übrigen Miteigentümern übernommen werden.

Auch bei luxuriösen baulichen Massnahmen gibt es eine Ausnahme betreffend Kostenverteilung. Eine luxuriöse bauliche Massnahme kann auch vorgenommen werden, wenn keine Einstimmigkeit, sondern bloss die Mehrheit nach Köpfen und nach Quoten vorliegt. Dazu ist jedoch erforderlich, dass den nicht zustimmenden Eigentümern für die vorübergehenden Beeinträchtigungen Ersatz geleistet wird und dass deren Kostenanteil übernommen wird. Auch dürfen die Beeinträchtigungen aufgrund der luxuriösen baulichen Massnahme keinen bleibenden Charakter haben.

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