Abweichung vom ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung im Ehevertrag – Ein Einblick in die Gütergemeinschaft und Gütertrennung
Sarah Hachen, Rechtsanwältin und Notariatskandidatin
Patric Braun, Anwaltskandidat
Ab der Trauung unterstehen die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten grundsätzlich zeitlich unbefristet dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Es steht den Ehegatten jedoch frei, in einem Ehevertrag den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung zu modifizieren oder sich für einen der zwei vertraglichen Güterstände – Gütergemeinschaft oder Gütertrennung – zu entscheiden. In diesem Beitrag sollen die vertraglichen Güterstände und mögliche Gründe für die Wahl eines solchen kurz vorgestellt werden.
Das schweizerische Recht sieht ausschliesslich drei Güterstände vor, zwischen denen gewählt werden kann. In unterschiedlicher Weise regeln die drei Güterstände die Wirkung der Ehe auf die eigenen Habseligkeiten (Sachen, Güter, Vermögen etc.) und Schulden. Sie bilden die Grundlage für die Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen Verhältnisse bei der Auflösung der Ehe, sei dies in der Scheidung oder bei Ableben eines Ehegatten.
Die Errungenschaftsbeteiligung
Ohne eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung wird das Vermögen der Ehegatten in je zwei sog. Gütermassen geteilt: Eigengut und Errungenschaft. Die Vermögenssphären der Ehegatten bleiben grundsätzlich getrennt.
Das Eigengut eines Ehegatten umfasst Vermögenswerte für den persönlichen Gebrauch, solche die in die Ehe eingebracht worden sind, seither geschenkt oder geerbt wurden sowie Genugtuungsansprüche oder Ersatzanschaffungen aus den soeben aufgezählten finanziellen Mitteln (Art. 198 ZGB). In die Errungenschaft eines Ehegatten fallen diejenigen Vermögenswerte, welche er oder sie während der Dauer der Ehe entgeltlich erwirbt, wie der Lohn (Art. 197 Abs. 1 ZGB). Anpassungsmöglichkeiten dieser Zuordnung zu den Gütermassen bestehen nur eingeschränkt (Art. 199 ZGB). Bei einer Scheidung oder beim Tod wird das gemeinsam erarbeitete Vermögen (Errungenschaft) grundsätzlich hälftig aufgeteilt (Art. 215 Abs. 1 ZGB), ehevertragliche Regelungen bleiben vorbehalten. Die Errungenschaftsbeteiligung kann die Vermögensfolgen bei einer Rollenteilung in der Ehe ausgleichen und stellt eine Art Kompromisslösung dar. Wollen die Ehegatten ihre Vermögenssphäre entweder stärker oder schwächer miteinander verflechten, können sie die vertraglichen Güterstande ins Auge fassen.
Die Gütergemeinschaft
Der Güterstand der Gütergemeinschaft wird mit einem öffentlich zu beurkundenden Ehevertrag begründet und besteht aus drei Gütermassen. Die Eigengüter der beiden Ehegatten und das Gesamtgut, welches im (Gesamt-)Eigentum beider Ehegatten steht.
Gesetzlich gehören zum Eigengut lediglich die Gegenstände für den persönlichen Gebrauch und Genugtuungsansprüche (Art. 225 Abs. 2 ZGB). Das Vermögen und die Einkünfte beider Ehegatten fallen in das Gesamtgut (Art. 222 Abs. 1 ZGB). Es besteht jedoch ein grosser Individualisierungsspielraum:
- Die Ehegatten können dem Gesamtgut diejenigen Vermögenswerte zuweisen, welche unter der Errungenschaftsbeteiligung in die Errungenschaft fallen würden – mit dem Unterschied, dass diese während der Ehe im Eigentum beider Ehegatten stehen (Art. 223 Abs. 1 ZGB).
- Die Ehegatten können einzelne Vermögenswerte per Ausschlussprinzip vom Gesamtgut ausschliessen (Art. 224 Abs. 1 ZGB).
Auch hier ist die hälftige Teilung des Gesamtgutes bei Auflösung der Ehe vorgesehen (Art. 241 f. ZGB), sofern der Ehevertrag nichts anderes vorschreibt.
Der Güterstand der Gütergemeinschaft kann je nach Ausgestaltung unterschiedliche Folgen haben:
- Durch die gesetzliche Regelung ist das Gesamtgut grösser als die Errungenschaft. Dies bewirkt eine Besserstellung desjenigen Ehegatten, welcher während der Ehe weniger finanzielle Mittel anspart. Gerade bei spät heiratenden Paaren, deren Ehe nicht mehr das ganze Arbeitsleben abdeckt, kann mit der Gütergemeinschaft unter Berücksichtigung des Erbrechts für gleichmässigere Vermögensverhältnisse gesorgt werden. Damit wird dem Sprichwort: «Was mein ist, ist auch dein», am stärksten entsprochen.
- Durch den Ausschluss von Vermögenswerten vom Gesamtgut können die Ehegatten für die Zukunft bestimmen, welche Vermögenswerte sie nicht miteinander teilen möchten. Werden viele Vermögenswerte vom Gesamtgut ausgeschlossen, kann das Gesamtgut kleiner werden als die Errungenschaften.
Die Gütertrennung
Der dritte und letzte Güterstand der Gütertrennung lässt sich einfach darstellen:
Der Güterstand der Gütertrennung wird durch einen öffentlich zu beurkundenden Ehevertrag vereinbart oder in Sonderfällen gerichtlich angeordnet (v.a. bei finanziellen Schwierigkeiten, vgl. Art. 185 ff. ZGB). Unter diesem Güterstand werden die Ehegatten in Bezug auf ihre Vermögenslage grundsätzlich so gestellt, wie wenn sie nicht verheiratet wären. Im Unterschied zur Errungenschaftsbeteiligung erfolgt keine Beteiligung an während der Ehe erarbeiteten Vermögenswerten des anderen Ehegatten. Die finanzielle Unabhängigkeit wird gefördert. Die Gütertrennung kann sich als sinnvoll erweisen, wenn die Teilhabe des anderen Ehegatten am wirtschaftlichen Erfolg des anderen nicht gewünscht oder die Begünstigung von Nachkommen angestrebt wird. Schliesslich präsentiert sich die Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten in einem Scheidungsverfahren am einfachsten, da grundsätzlich keine Verflechtungen der Vermögenssphären bestehen.
Fazit
Die vertraglichen Güterstände erlauben den Ehegatten, ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse während der Dauer der Ehe individuell auszugestalten. Ob die Vereinbarung eines vertraglichen Güterstandes sinnvoll ist, entscheidet sich nach den Interessen und Wünschen der Ehegatten. Der beurkundende Notar bzw. die beurkundende Notarin steht Ihnen dabei zur Seite.