Vernichtung von Testamenten
Natalie Siegenthaler, Rechtsanwältin und Notarin
Livia Zürcher, MLaw, Notariatskandidatin
Wie bei der Errichtung gibt es auch bei der Vernichtung von Testamenten (letztwilligen Verfügungen) unterschiedliche Vorschriften zu beachten, um später auftauchende Rechtsunsicherheiten bezüglich des letzten Willens des Erblassers oder Rechtstreitigkeiten zwischen Erben oder (früher) Bedachten zu vermeiden.
Will eine Person ein früher errichtetes Testament aufheben, kann sie dies durch Widderruf in der für die Errichtung des Testaments vorgeschriebenen Form, durch Errichtung eines späteren Testaments, das zweifelsfrei nicht eine blosse Ergänzung des früheren Testaments ist, oder durch Vernichtung des Testaments machen.
Die Aufhebung setzt in allen Fällen einen Widerrufswillen und die Verfügungsfähigkeit der testierenden Person im Zeitpunkt der Aufhebung voraus.
Als Folge der gültigen Aufhebung wird entweder eine frühere Verfügung von Todes wegen wieder wirksam oder – mangels solcher – tritt die gesetzliche Erbfolge ein.
Hat eine Person zeitlebens mehrere Verfügungen von Todes wegen (Testamente und Erbverträge) errichtet, besteht bei deren Tod die Pflicht, alle – auch später widerrufene oder durch Errichtung einer neueren Verfügung aufgehobene – der zuständigen Behörde zur Eröffnung an die gesetzlichen und eingesetzten Erben sowie allfällig weitere Begünstigten einzuliefern. Die Eröffnungsbehörde hat sämtliche ihr eingelieferten oder bei ihr hinterlegten Verfügungen von Todes wegen zu berücksichtigen, selbst wenn sie diese aufgrund einer provisorischen Auslegung für ungültig oder anfechtbar hält. Wird sie nämlich nicht angefochten, ist auch eine ungültige bzw. anfechtbare Verfügung rechtswirksam. Mit der abschliessenden Beurteilung über die Gültigkeit oder Auslegung von Verfügungen von Todes wegen hat sich im Streitfall das Gericht zu befassen.
Will der Testator deshalb verhindern, dass ein errichtetes Testament nach seinem Ableben eröffnet und damit den Erben und allfällig weiteren Begünstigten zur Kenntnis gebracht wird, bleibt ihm nur die Vernichtung.
Vernichtung von Testamenten
Vernichtet werden muss grundsätzlich nur das Original. Wurde das Testament öffentlich beurkundet, befindet sich zum Beispiel im Kanton Bern das Original des Testaments (die sogenannte Urschrift) zwingend bei der Urkundsperson. Zur rechtsgültigen Vernichtung muss deshalb die Urschrift bei der Urkundsperson herausverlangt und vernichtet werden. Es genügt nicht, dass die der testierenden Person ausgehändigten (beglaubigten) Kopien oder Ausfertigungen vernichtet werden. Auch ein bei einer Urkundsperson oder Gemeinde zur Aufbewahrung hinterlegtes Originaltestament muss herausverlangt und vernichtet werden.
Vernichtet ist das Originaldokument, wenn es verbrannt, zerrissen oder zerschnitten oder sonst zerstört oder dauerhaft beseitigt worden ist. Auch wenn der Text völlig ausgelöscht oder unlesbar gemacht wird, gilt das Dokument als vernichtet. Dagegen genügt es nicht, wenn es in die Altpapiersammlung oder in den Kehrrichtsack geworfen wird. Fischt jemand das Dokument wieder heraus, entgeht es der Vernichtung. Keinesfalls genügt die Kennzeichnung der Urkunde als ungültig, sei es durch Lochen, Einreissen, Durchkreuzen oder Ähnliches.
Aber auch Abschriften, Ausfertigungen oder Kopien von Testamenten sind von der Einlieferungspflicht erfasst und solange beachtlich, als nicht nachgewiesen ist, dass der Verlust des Originals auf einer gültigen willentlichen Vernichtung beruht. Gemäss Lehre ist nur in Ausnahmefällen von einer Eröffnung abzusehen. Damit es sicher nicht zur Eröffnung kommt, müssten nebst dem Original deshalb auch die Abschriften, Ausfertigungen und Kopien vernichtet werden. Darüber hinaus müssten im digitalen Zeitalter auch jegliche elektronischen Kopien vollständig gelöscht werden, was unter Umständen jedoch kaum oder nur mit erheblichem Aufwand möglich ist.
Keine Vernichtung von Erbverträgen
Im Gegensatz zu Testamenten haben Erbverträge eine Bindungswirkung. Sie können grundsätzlich ohne Einwilligung beider (bzw. sämtlicher) Parteien nicht aufgehoben werden. Nach dem Tod einer Partei, ist eine Aufhebung daher grundsätzlich nicht mehr möglich. Da eine Vernichtung nicht erkennen lässt, ob sämtliche Parteien wirklich damit einverstanden waren, ist die Aufhebung durch Vernichtung bei Erbverträgen nicht zulässig. Eine gültige Aufhebung setzt hier eine schriftliche Übereinkunft der Vertragsparteien voraus, die allerdings – anders als bei der Errichtung von Erbverträgen – nicht zwingend öffentlich beurkundet werden muss. Erbverträge werden daher nach dem Tod einer Partei in jedem Fall eröffnet.
Fazit
Um zu verhindern, dass alte Testamente, die aus Sicht der testierenden Person keine Geltung mehr haben sollen, im Todesfall eröffnet werden und bei den betroffenen Personen Fragen aufwerfen, macht es in der Regel Sinn, solche Dokumente nicht nur rechtlich (durch Widerruf oder Errichtung einer späteren Verfügung von Todes wegen), sondern auch faktisch aus der Welt zu schaffen. Die vollständige physische Vernichtung des Testaments – sowohl des Originals als auch aller Abschriften, Ausfertigungen und Kopien – stellt die einzige Art der Aufhebung von Testamenten dar, bei welcher im Todesfall nichts mehr einzuliefern und zu eröffnen ist. Erbverträge können aufgrund ihrer Bindungswirkung nicht vernichtet werden.
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