Vorentwurf zur Revision des Stockwerkeigentumsrechts
Isabelle Dettwiler, Notarin
Daniel Munkaschewski, MLaw, Notariatskandidat
Das Stockwerkeigentum wurde 1965 im Zivilgesetzbuch (ZGB) eingeführt. Die Bestimmungen des Stockwerkeigentums sollen modernisiert werden. Der Bundesrat hat im Herbst 2024 die Vernehmlassung zu punktuellen Anpassungen des Stockwerkeigentums (Art. 712a ff. ZGB) durchgeführt. In diesem Artikel werden die wichtigsten geplanten Änderungen des Vorentwurfs kurz aufgezeigt.
Ausgangslage
Gestützt auf ein im Jahre 2014 eingereichtes Postulat von Herrn Nationalrat Andrea Caroni «Fünfzig Jahre Stockwerkeigentum. Zeit für eine Gesamtschau» beauftragte das Parlament den Bundesrat zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob beim Stockwerkeigentum seit seiner Einführung Anpassungsbedarf besteht. Sowohl das hierauf erstellte Gutachten wie auch der Bundesrat sind der Meinung, dass sich das Institut «Stockwerkeigentum» bewährt und einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Wohneigentums in der Schweiz geleistet hat. Gleichwohl besteht an verschiedenen Stellen Revisionsbedarf, weshalb der Bundesrat im Vorentwurf vorschlägt, einzelne Aspekte des Stockwerkeigentumsrechts anzupassen; die Grundstruktur und die Grundausrichtung des Stockwerkeigentumsrechts sollen indes beibehalten werden.
Die wichtigsten Änderungsvorschläge
Umkehr der Vermutung
Bei nicht als gemeinschaftlich erklärten Gebäudeteilen sieht das Gesetz heutzutage die Vermutung vor, dass sie zu Sonderrecht ausgeschieden sind. Diese Vermutung wird seit längerer Zeit kritisiert, weshalb der Vorentwurf folgende Regelung vorsieht: Für die nicht zum Sonderrecht ausgeschiedenen Gebäudeteile soll neu vermutet werden, dass sie gemeinschaftlich sind.
Erwerb von Stockwerkeigentum ab Plan
Obwohl der Erwerb von Stockwerkeigentum ab Plan (d. h. der Kauf einer geplanten, aber noch nicht gebauten Wohnung) in der Praxis weit verbreitet ist, fehlt eine Regelung der zentralen Fragen auf Gesetzesstufe – das führt zu Rechtsunsicherheit. Bisher findet sich die Regelung dazu nur auf Verordnungsstufe (Grundbuchverordnung).
Neu soll etwa zum Schutz der Erwerber von Stockwerkeigentum vorgesehen werden, dass der Anmeldung zum Grundbucheintrag eine rechtskräftige Baubewilligung beizulegen ist. Auch enthält die Revision eine neue Regelung zu den Aufteilungsplänen. Ob diese und die anderen in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Änderungen sinnvoll sind, ist fraglich und stiess im Vernehmlassungsverfahren bisweilen auf Kritik.
Stockwerkeigentum im Baurecht
In der Praxis wird Stockwerkeigentum regelmässig auf einem selbständigen und dauernden Baurecht errichtet. Das kann insbesondere bei der vertraglichen Verlängerung des Baurechts zu Problemen führen, da diese unter geltendem Recht Einstimmigkeit voraussetzt. Mithin kann ein einziger Stockwerkeigentümer den Untergang des Stockwerkeigentums bewirken, indem er sich der Baurechtsverlängerung widersetzt. Mit der Gesetzesrevision soll eine Verlängerung mit einem qualifizierten Mehrheitsbeschluss möglich werden. Wer sich einer Verlängerung widersetzt, soll aus dem Stockwerkeigentum ausscheiden und sein Anteil soll den verbleibenden Stockwerkeigentümern anwachsen; dafür soll der ausscheidende Stockwerkeigentümer eine Entschädigung erhalten.
Erneuerungsfonds
Geplant ist ferner, dass die Stockwerkeigentümer unter gewissen Voraussetzungen beim Gericht beantragen können, einen Erneuerungsfonds für notwendige Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten zu schaffen oder einen bestehenden Erneuerungsfonds anzupassen. Das Gericht soll diesfalls über die Höhe der jährlichen Beiträge und die Dauer, für welche der Erneuerungsfonds geschaffen oder abgeändert wird, bestimmen.
Der Bundesrat hat es versäumt, ein gesetzliches Obligatorium für die Schaffung eines Erneuerungsfonds vorzusehen. Erfahrungsgemäss sind Überbauungen ohne Erneuerungsfonds tendenziell schlechter unterhalten.
Gewährleistungsansprüche für Mängel an gemeinschaftlichen Teilen des Stockwerkeigentums
Die neue Rechtsprechung hat bereits die grössten Hindernisse beseitigt, mit denen sich Käufer von Stockwerkeigentum konfrontiert sehen, wenn gemeinschaftliche Teile des Gebäudes Mängel aufweisen. Die neue Gerichtspraxis löst allerdings nicht alle Fragen bzw. Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang, weshalb im Vorentwurf eine Regelung vorgesehen ist, welche die Koordination dieser Ansprüche erleichtern soll.
Weitere Änderungsvorschläge
Der Bundesrat hat ausserdem verschiedene andere Änderungen vorgeschlagen. Eine Auswahl:
- In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, in denen einzelne Stockwerkeigentümer durch ihr Verhalten die effiziente Verwaltung des Stockwerkeigentums erschweren oder gar gefährden. Nach den heute geltenden Regeln steht den übrigen Mitgliedern der Stockwerkeigentümergemeinschaft lediglich der Ausschluss des querulatorischen Stockwerkeigentümers aus der Gemeinschaft vor, was allerdings an sehr hohe Anforderungen geknüpft ist. Deshalb sieht der Vorentwurf die Möglichkeit vor, im Sinne einer Sanktionsmöglichkeit einem Mitglied unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend das Stimmrecht zu entziehen.
- Der Vorentwurf sieht vor, dass das gesetzliche Pfandrecht – nach dem Vorbild der Bestimmungen über das Pfandrecht der Grundeigentümer zur Sicherung des Baurechtszinses – verstärkt werden soll. Das bisher bestehende Retentionsrecht soll gestrichen werden.
- Die bundesgerichtliche Praxis zur konstitutiven Wirkung des Protokolls der Stockwerkeigentümergemeinschaft soll neu im Gesetz kodifiziert werden.
Weitergehende Informationen finden Sie auf der Webseite der Bundesverwaltung (Vorentwurf, Erläuternder Bericht).
Fazit
Insgesamt ist die Revision des Stockwerkeigentumsrecht zu begrüssen, auch wenn einzelne Bestimmungen in der Vernehmlassung auf Kritik gestossen sind. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie der Bundesrat diese Kritik im Entwurf aufnimmt und ob bzw. in welcher Form die Revision im Parlament durchkommen wird. Gerne verfolgen wir die Gesetzesrevision des Stockwerkeigentums weiterhin für Sie und halten Sie auf dem Laufenden.