Unterschied zwischen der Patientenverfügung und dem Vorsorgeauftrag
Bei der Beratung von Klientinnen und Klienten fällt auf, dass der Unterschied zwischen dem Vorsorgeauftrag und der Patientenverfügung oft unklar ist. In der Praxis sind die Klientinnen und Klienten oftmals der Meinung, dass sie bereits einen Vorsorgeauftrag errichtet hätten, haben aber eine Patientenverfügung ausgestellt.
Die Patientenverfügung
Die Patientenverfügung legt fest, welchen medizinischen Massnahmen im Falle der Urteilsunfähigkeit zugestimmt bzw. eben nicht zugestimmt wird. In dieser Verfügung kann eine Vertrauensperson bezeichnet werden, die im Falle der Urteilsunfähigkeit mit den behandelnden Ärzten die medizinischen Massnahmen bespricht und in ihrem Namen entscheiden soll. Im Gegensatz zum Vorsorgeauftrag können in der Patientenverfügung nur natürliche Personen eingesetzt werden. Die Patientenverfügung ist durch die urteilsfähige Person schriftlich zu errichten, zu datieren und zu unterzeichnen. Da das Erstellen einer Patientenverfügung ein höchstpersönliches Recht ist, ist es nicht gestattet, dass die Patientenverfügung durch eine andere Person ausgestellt wird. Die Errichtung einer Patientenverfügung und deren Hinterlegungsort können durch Ärztinnen und Ärzte oder andere medizinische Leistungserbringer auf der Versichertenkarte des Patienten eingetragen werden. Zur Anwendung kommt die Patientenverfügung, wenn sich eine Person beispielsweise aufgrund eines Unfalls oder eines medizinischen Eingriffs nicht zu den medizinischen Massnahmen äussern kann. Durch die Patientenverfügung können die Ärztinnen und Ärzte gemäss dem Willen der Patientin bzw. des Patienten handeln. Die Bestimmungen über die Patientenverfügung sind in den Artikeln 370 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Eine Patientenverfügung sollte stets dem aktuellen Willen des Verfassers bzw. der Verfasserin entsprechen. Eine regelmässige Durchsicht mit Neudatierung und Unterzeichnung empfiehlt sich. Eine Kopie der Patientenverfügung kann dem behandelnden Arzt oder der Ärztin übergeben werden.
Der Vorsorgeauftrag
Im Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person eine andere natürliche oder juristische Person beauftragen, im Falle ihrer Urteilunsfähigkeit die Personen- oder Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Die zu übertragenden Aufgaben müssen umschrieben sein und es können Weisungen zur Erfüllung erteilt werden. Anordnungen nur für Teilbereiche sind ebenfalls möglich.
Der Vorsorgeauftrag kann, wie beim Testament, entweder eigenhändig errichtet werden oder ist öffentlich zu beurkunden. Der eigenhändige Vorsorgeauftrag ist von der auftraggebenden Person von Anfang bis zum Ende von Hand zu schreiben, zu datieren und zu unterzeichnen.
Für die öffentliche Beurkundung ist im Kanton Bern eine bernische Notarin bzw. ein bernischer Notar zuständig.
Der Vorsorgeauftrag kann nicht als solcher beim Zivilstandsamt hinterlegt werden. Es kann nur dessen Abschluss und der Hinterlegungsort einem beliebigen Zivilstandsamt in der Schweiz zur Eintragung im Schweizer Personenstandsregister mitgeteilt werden.
Der Vorsorgeauftrag kommt mit der Urteilsunfähigkeit einer Person zum Tragen. Die Urteilsunfähigkeit kann beispielsweise durch Krankheit, Demenz oder nach einem Unfall eintreffen. Sobald die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) von der Urteilsunfähigkeit einer Person erfährt, klärt sie ab, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt. Sie prüft, ob dieser gültig errichtet wurde und ob die Urteilsunfähigkeit tatsächlich eingetreten ist. Zudem prüft die KESB, ob die beauftragte Person geeignet und auch bereit ist, den Auftrag unter den gegebenen Bedingungen anzunehmen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, validiert die KESB den Vorsorgeauftrag.
Liegt kein Vorsorgeauftrag vor, errichtet die KESB eine Beistandschaft über die urteilsunfähige Person (vgl. Art. 381 ZGB).
Wenn die Person wieder urteilsfähig wird, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
Die Bestimmungen über den Vorsorgeauftrag finden sich in den Artikeln 360 – 369 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB).
Vertretung durch den Ehegatten, die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner gestützt auf Art. 374 ZGB
Die Ehegatten und die eingetragenen Partner haben bei Urteilsunfähigkeit des Ehegatten bzw. der/des eingetragenen Partners bzw. Partnerin auch von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht. Allerdings ist dieses beschränkt auf Besorgungen des täglichen Lebens, die ordentliche Verwaltung des Einkommens und des Vermögens und die Erledigung der Post. Für andere Geschäfte wird die Zustimmung der KESB benötigt, falls kein entsprechender Vorsorgeauftrag besteht.
Der Verkauf eines bestehenden Grundstücks oder die Erhöhung einer Hypothek gehören nicht mehr zur ordentlichen Verwaltung des Vermögens, weshalb es auch bei Verheirateten oft sehr sinnvoll ist, einen Vorsorgeauftrag zu errichten.
Fazit
Die Patientenverfügung und der Vorsorgeauftrag kommen bei der Urteilsunfähigkeit einer Person zum Tragen, regeln aber unterschiedliche Aspekte. Um sicherzugehen, dass eine Person des Vertrauens für den Fall des Eintritts der Urteilsunfähigkeit eingesetzt wird, empfiehlt es sich, frühzeitig sowohl eine Patientenverfügung als auch einen Vorsorgeauftrag zu errichten. Werden die Formvorschriften nicht eingehalten, entfaltet die Patientenverfügung bzw. der Vorsorgeauftrag keine Wirkung. Es wird daher empfohlen, sich bei der Errichtung der Patientenverfügung und des Vorsorgeauftrages durch eine Fachperson beraten zu lassen.