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Rächtzytig

Der Erbenruf und die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen im Zeitalter der Digitalisierung

Der Erbenruf und die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen im Zeitalter der Digitalisierung

In der Praxis sind zwei Szenarien denkbar, in welchen der Notar in Erbschaftsangelegenheiten eine öffentliche Publikation vornehmen muss:

  1. Es ist ungewiss, ob eine verstorbene Person Erben hinterlassen hat oder nicht, und falls ja, wie viele und welche (dabei handelt es sich um den sog. Erbenruf).
  2. Dem Notar liegt ein Testament oder ein Erbvertrag vor, die darin begünstigten Personen sind jedoch nicht auffindbar (Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen).

Der Erbenruf

Zweck des Erbenrufs ist die Ermittlung von unbekannten Erben. Der Erbenruf ist anzuordnen, wenn eine Ungewissheit über die Erbberechtigten herrscht. Dies kann der Fall sein, wenn sich aus den Zivilstands- und Familienregistern und anderen Urkunden nicht klar ergibt, ob ein Erblasser überhaupt Erben hinterlässt. Zudem kann es vorkommen, dass dem Notar einzelne Erben bekannt sind, jedoch davon auszugehen ist, dass es noch weitere Erben gibt, die dem Notar aus den genannten Urkunden und Registern nicht ersichtlich sind. Für beide Fälle ordnet Art. 555 ZGB den sogenannten Erbenruf an. Der Notar hat die Berechtigten in angemessener Weise öffentlich aufzufordern, sich binnen Jahresfrist zum Erbgang zu melden. Diese Aufforderung hat in den dafür geeigneten Medien zu erfolgen.

Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen

Wer seinen letzten Willen in einem Testament oder in einem Erbvertrag festhält, vertraut darauf, dass die an der Erbschaft berechtigten Personen nach seinem Ableben darüber in Kenntnis gesetzt werden. Diesem Zweck dienen die Bestimmungen von Art. 556 – 558 ZGB. Verfügungen von Todes wegen sind demgemäss den Beteiligten zu eröffnen. Die Eröffnungsbehörde hat die Pflicht, nach allen Beteiligten zu forschen. Sie beachtet dabei insbesondere das Zivilstandsregister und erkundigt sich bei anderen bereits bekannten Erben, einem möglichen Willensvollstrecker oder bei den übrigen Angehörigen des Erblassers. Sind die an der Erbschaft beteiligten Personen so zwar ermittelbar, ist deren gegenwärtiger Aufenthalt jedoch unbekannt, erfolgt die Mitteilung gemäss Art. 558 Abs. 2 ZGB durch eine angemessene öffentliche Publikation.

Publikation

Der Erbenruf ist grundsätzlich von der zuständigen Gemeinde durchzuführen. In der Praxis wird er jedoch meistens an einen Notar delegiert. Der Notar muss sich bei der Gemeinde eine Genehmigung einholen, damit er den Erbenruf publizieren darf.

Für die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen sind im Kanton Bern die Gemeinden oder der Notar zuständig. Erbverträge sind stets vom Notar zu eröffnen. Testamente sind entweder von der Gemeinde oder vom Notar zu eröffnen, wobei die Eröffnung von Testamenten von der zuständigen Gemeinde in der Praxis ebenfalls oft an einen Notar delegiert wird.

Form und Inhalt der öffentlichen Publikation sind im Bundesrecht (ZGB) nicht vorgeschrieben. Das Bundesrecht regelt nur, dass die Publikation in den geeigneten Medien zu erfolgen hat. Das kantonale Einführungsgesetz zum ZGB (EG ZGB) regelt in Art. 13 EG ZGB, dass die Publikation im amtlichen Publikationsorgan der Gemeinden (Anzeiger) erfolgen muss. Ausserdem ist gemäss Art. 14 EG ZGB die Publikation im kantonalen Amtsblatt zu veröffentlichen. Die öffentliche Publikation hat dreimal zu erfolgen.

Digitale Publikation

Bisher konnte man sich über potenzielle Beteiligungen an Erbschaften in der wöchentlich im Briefkasten liegenden Ausgabe des Anzeigers informieren. In den letzten Jahren wurden im Zusammenhang mit der Digitalisierung bereits Printversionen einiger Anzeiger eingestellt. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft immer mehr Anzeiger die Printversion abschaffen werden und auf eine ausschliesslich digitale Version des Anzeigers umstellen werden. Die Bevölkerung muss sich somit neu selbständig im Internet über Erbenrufe und Eröffnungen von Verfügungen von Todes wegen informieren. Das Amtsblatt ist digital abrufbar unter www.amtsblattportal.ch, die Publikationen aus dem Anzeiger findet man unter www.ePublikation.ch, die digitale Version des Anzeigers existiert nach der Abschaffung der Printversion oft weiter und wird auf der Homepage des jeweiligen Anzeigers oder der jeweiligen Gemeinden direkt verlinkt.

Fazit

Sind Erben unbekannt schreibt das Gesetz den Erbenruf vor, welcher zu publizieren ist. Gleich verhält es sich bei der Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen, wenn ein darin bezeichneter Erbe nicht auffindbar ist. Zur Publikation sind im Kanton Bern die Amtsblätter vorgesehen, welche der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung tragen und vermehrt auch oder nur noch online publiziert werden.

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