Demenz- und Heimklauseln in Ehe- und Erbverträgen
Lara Morgenthaler, Notarin
David Boss, Notariatskandidat
Bei vielen Ehe- und Erbverträgen zwischen Ehegatten steht die Meistbegünstigung des überlebenden Ehegatten im Vordergrund. Damit soll insbesondere dessen Lebensstandard gesichert werden. Kommt es jedoch im weiteren Verlauf des Lebens zur Pflegebedürftigkeit oder zu einem Heimeintritt des überlebenden Ehegatten, muss das Vermögen – einschliesslich des vom erstverstorbenen Ehegatten ererbten Anteils – zur Deckung der Pflegekosten herangezogen werden. Dies kann dazu führen, dass die Nachkommen beim Tod des überlebenden Ehegatten ein deutlich vermindertes Erbe erhalten. Sogenannte Demenz- und Heimklauseln (auch Schutzklauseln genannt) sollen in solchen Fällen Abhilfe schaffen.
Was sind sogenannte Demenz- und Heimklauseln?
Es handelt sich dabei um Klauseln, die sicherstellen sollen, dass im Falle einer Demenzerkrankung oder eines Heimeintritts des überlebenden Ehegatten die ursprüngliche Begünstigung angepasst werden kann. Ziel ist es dabei, das Familienvermögen vor übermässigem Verbrauch (hohe Heim-, Pflege- oder Betreuungskosten) zu schützen, den Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu erhalten oder die demente/urteilsunfähige Person vor finanziellen Fehlentscheidungen (z. B. Schenkungen) oder Ausnutzung (z. B. durch Betrüger) zu bewahren. Kurz gesagt, ermöglicht die Klausel eine Korrektur der Begünstigung zugunsten der Nachkommen, wenn der überlebende Ehegatte nicht mehr selbstbestimmt über das Vermögen verfügen kann.
Wichtigkeit der klaren Ausgestaltung der Klauseln
Bedingungseintritt
Eine erste Schwierigkeit bei Demenz- und Heimklauseln ist die Frage, wann sie konkret eintreten sollen. So muss man sich fragen, ob neben dem definitiven Heimeintritt auch die Anordnung eines Beistandes oder die Validierung eines Vorsorgeauftrags einen Bedingungseintritt konstituieren. Was ist, wenn man den überlebenden Ehegatten zu Hause pflegt? Auch dies kann zu erheblichen Kosten führen. Schwieriger ist es, einen Bedingungseintritt auf die Demenz an sich abzustützen. So stellt sich die Frage, ob eine leichte Demenz schon reicht, damit die Klausel greift, oder ob es eine Urteilsunfähigkeit gemäss Art. 16 ZGB braucht. Und wie lässt sich eine Demenz/Urteilsunfähigkeit überprüfen oder beweisen? Eine Vermutung allein reicht nämlich nicht. Um solche Probleme und Unklarheiten später zu verhindern, braucht es bei der Ausgestaltung der Klauseln eine klare Formulierung des Bedingungseintritts – am besten mit klaren, objektiven Kriterien.
Art der Bedingung
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine Demenz oder ein Heimeintritt bereits vor oder erst nach dem Erstversterbensfall eintreten kann. Während man im Falle eines Bedingungseintritts vor dem Erstversterbensfall festlegen kann, dass die güter- und erbrechtlichen Ansprüche der gesetzlichen Regelung diesfalls gelten sollen, so muss man beim Bedingungseintritt nach dem Erstversterbensfall die Klausel resolutiv oder suspensiv ausgestalten.
- Bei der Resolutivbedingung (auflösende Bedingung) entfällt die Begünstigung des überlebenden Ehegatten im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (vgl. Art. 154 Abs. 1 OR). Dabei fällt die Begünstigung rückwirkend auf den Tod des erstverstorbenen Ehegatten in dessen Nachlass zurück. Die Erbengemeinschaft lebt wieder auf, wodurch erneut eine güter- und erbrechtliche Teilung vorzunehmen ist. Die Durchsetzung erfolgt – wenn nötig – mittels Erbteilungsklage.
- Bei der Suspensivbedingung (aufschiebende Bedingung) entfällt nicht die Begünstigung, sondern die Nachkommen erhalten Ansprüche beim Bedingungseintritt. Dabei sollte die Suspensivbedingung klar als Forderung formuliert werden – bei Fragen der Fälligkeit, des Verzugs etc. können die allgemeinen Regeln des Obligationenrechts beigezogen werden und es muss nicht zwingend speziell in der Klausel geregelt werden.
Zivilrechtliche Zulässigkeit solcher Klauseln
Die Lehre erachtet Demenz- und Heimklauseln mehrheitlich als zulässig an. So kann der Erblasser in den Schranken des Gesetzes (insb. Wahrung der Pflichtteile) grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen. Es steht den Erben auch frei, mittels Erbvertrags teilweise oder vollständig ohne Gegenleistung auf ihre erbrechtlichen Ansprüche zu verzichten (vgl. Art. 495 Abs. 1 ZGB). Weshalb nun ein Verzicht, wenn er unter den Vorbehalt einer Bedingung gestellt ist, nicht zulässig sein soll, ist nicht einsichtig. Eine solche Einschränkung ist auch in den gesetzlichen Bedingungen gem. Art. 151 ff. OR oder Art. 482 ZGB nicht ersichtlich. Selbst das Gesetz sieht in Art. 473 Abs. 3 ZGB vor, dass bei der Wiederverheiratung die Nutzniessung auf den Pflichteilen der Nachkommen entfällt. Daraus lässt sich ableiten, dass Klauseln, die an eine Bedingung geknüpft sind (wie Demenz- und Heimklauseln) im Rahmen der frei verfügbaren Quote grundsätzlich zulässig sind.
Weiter muss man sich aber die Frage stellen, ob solche Klauseln nach Art. 519 Ziff. 3 ZGB oder Art. 20 Abs. 1 OR i. V. m. Art. 7 ZGB sittenwidrig sein können. Art. 519 ZGB ist hierbei zu vernachlässigen – müssten doch die Erben und Bedachten eine Ungültigkeitsklage erheben, was unwahrscheinlich scheint, hat doch der überlebende Ehegatte diesen Klauseln zugestimmt und werden die Nachkommen dadurch begünstigt. Anders verhält es sich mit Art. 20 OR. Hier betreffen der Zweck und Schutzbereich nicht nur die Interessen der Vertragsparteien, sondern auch das öffentliche Interesse. Aufgrund dieser Auslegung kann man schnell in einen heiklen Graubereich kommen. So ist der Vermögensverzicht, um Anspruch auf Ergänzungsleistung zu haben oder um teure Heim- und Pflegekosten zu umgehen, nur im Interesse der Beteiligten, nicht aber im Interesse der Öffentlichkeit, welche schlussendlich durch die Finanzierung der Sozialhilfe die anfallenden Kosten decken müssen. Die Frage, ob nun aber die privaten oder öffentlichen Interessen stärker zu gewichten sind und ob eine Demenz- oder Heimklausel unsittlich ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. So lange aber keine Gerichtsentscheide vorliegen, welche klare Grenzen setzen, besteht weiterhin eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Öffentlich-rechtliche Komponente
Während die Demenz- und Heimklauseln im Falle des Bedingungseintritts vor dem Erstversterbensfall unproblematisch sein sollten, können die Klauseln beim Bedingungseintritt nach dem Erstversterbensfall auf gewisse Hindernisse treffen. Zivilrechtlich sind die Ansprüche der Nachkommen grundsätzlich rechtmässig. Ob die Sozialversicherungsanstalten solche Ansprüche allerdings akzeptieren oder ob sie diese – wie bei Schenkungen und Erbvorbezügen – immer noch zum Vermögen des überlebenden Ehegatten dazurechnen, ist eine andere Frage. So könnte in solchen Fällen trotz fehlendem praktischem Vermögen kein Anspruch auf Ergänzungsleistungen bestehen, um die Heim- und Pflegekosten zu decken, was in extremen Fällen sogar zur Verwandtenbeistandspflicht führen könnte. Orientieren sich die Ansprüche in solchen Fällen an den Pflichteilansprüchen der Nachkommen, sollten diese von den Sozialanstalten aber eigentlich akzeptiert werden.
Fazit
Demenz- und Heimklauseln werden heutzutage immer häufiger als zusätzliche Massnahmen, zum Schutze der Nachkommen im Falle einer Begünstigung des Ehegatten eingesetzt. Man muss sich aber im Klaren sein, dass eine solche gut und klar durchdacht sein muss, damit es beim Bedingungseintritt nicht zu Unklarheiten und unerwünschten Überraschungen kommt.