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Rächtzytig

Baumängel – neue Regelungen im Obligationenrecht

Baumängel – neue Regelungen im Obligationenrecht

Ramin Paydar, Rechtsanwalt
Matthieu Meier, BLaw

Am 1. Januar 2026 tritt die Teilrevision des Obligationenrechts (OR) in Kraft, welche punktuelle Änderungen des kauf- und werkvertraglichen Sachgewährleistungsrechts zum Gegenstand hat. Namentlich wird eine (teilzwingende) 60-tägige Mängelrügefrist und ein (zwingendes) Nachbesserungsrecht für die Grundstückkäufer/Bauherren eingeführt. Es folgt ein Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Vorbemerkung

Die neuen Regelungen betreffen in erster Linie das Kauf- und Werkvertragsrecht, genauer den Grund­stück­kauf- und Immobilienbauwerkvertrag. Aus rechtlicher Sicht sind diese beiden Vertragsarten zu unterscheiden – in der Praxis verschwimmt die Abgrenzung zuweilen. Die Revision sieht für beide Vertragsarten sinngemäss die gleichen Änderungen/Regelungen vor (mit wenigen Abweichungen), weshalb nachfolgend beide Vertragsarten zusammen behandelt werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist im Folgenden primär nur die Rede vom Käufer und Verkäufer (Kaufvertrag); der Bauherr/Besteller und der Unternehmer/Hersteller (Werkvertrag) sind mitgemeint.

60-tägige Mängelrügefrist

Nach geltendem Recht muss der Käufer Mängel «sofort nach der Entdeckung» rügen; in der Praxis bedeutet das grundsätzlich eine Rüge innerhalb von sieben Tagen (Faustregel). Wenn der Käufer diese Frist versäumt, dann gilt der Mangel als genehmigt und er kann keine Mängelrechte (z. B. Kaufpreisminderung) geltend machen (vgl. Art. 201 Abs. 2 und Art. 370 OR).

Im Zusammenhang mit Immobilien gilt ab dem 1. Januar 2026 eine (teilzwingende) 60-tägige Mängelrügefrist (Art. 219a Abs. 1 und Art. 367 Abs. 1bis nOR). Das heisst, der Käufer hat 60 Tage Zeit, dem Verkäufer den Mangel anzuzeigen. Das gilt sowohl für offene wie auch verstecke Mängel; bei versteckten Mängeln beginnt die Frist erst mit deren Entdeckung zu laufen (Art. 219a Abs. 1 und Art. 370 Abs. 4 nOR).

Die 60-tägige Mängelrügefrist gelangt in erster Linie bei Immobilien zur Anwendung (z. B. bei einem Kaufvertrag über ein Einfamilienhaus). Darüber hinaus gilt diese Mängelrügefrist u. a. auch für (Fahrnis-)Sachen, welche bestimmungsgemäss in eine Immobilie integriert wurden (z. B. Einbaufenster) (Art. 201 Abs. 4 und Art. 367 Abs. 1bis nOR). Für die übrigen (Fahrnis-)Sachen ändert sich hingegen nichts: Wenn der Käufer eine (Fahrnis-)Sache kauft, die nicht in eine Immobilie integriert wird bzw. wurde (z. B. ein Fahrrad), muss der Käufer allfällige Mängel nach wie vor sofort rügen (Art. 201 Abs. 1 und 367 Abs. 1 OR).

Der Käufer einer Immobilie kann den Mangel innerhalb der 60-tägigen Rügefrist jederzeit geltend machen; dennoch ist ihm zu empfehlen, den Mangel dem Verkäufer zeitnah anzuzeigen und nicht unnötig zuzuwarten. Der Grund dafür ist die sog. Schadenminderungspflicht (genauer: Schadenminderungsobliegenheit), welche den Käufer trifft. Demnach hat der Käufer alle nach Treu und Glauben zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, die zur Verminderung des Schadens geeignet sind; das heisst, der Käufer, der einen Mangel nicht sofort rügt, hat den weiteren Schaden selbst zu tragen, der bei unverzüglicher Rüge des Mangels hätte vermieden werden können.

Die 60-tägige Mängelrügefrist ist neu teilzwingend: Das bedeutet, die Frist kann vertraglich verlängert, nicht jedoch verkürzt werden.

Zwingendes Nachbesserungsrecht

Unter geltendem Recht können die Gewährleistungsansprüche sowohl im Kauf- wie auch Werkvertragsrecht weitestgehend ausgeschlossen werden. In der Praxis führt dies regelmässig dazu, dass der Verkäufer die Immobilien unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung veräussert und er stattdessen die Gewährleistungsansprüche gegen die beteiligten Handwerker an den Käufer abtritt. Das heisst, der Käufer muss seine Gewährleistungsansprüche grundsätzlich gegenüber den jeweiligen Handwerkern geltend machen und hat diesbezüglich keine Ansprüche gegenüber seiner Vertragspartei (sprich gegenüber dem Verkäufer).

Mit der Revision wird für Neubauten (Bauten, die noch zu errichten sind oder weniger als zwei Jahre vor dem Verkauf neu errichtet wurden) ein zwingendes Nachbesserungsrecht eingeführt (Art. 219a Abs. 2 und Art. 368 Abs. 2bis nOR). Der Käufer kann damit bei Neubauten vom Verkäufer stets die unentgeltliche Nachbesserung verlangen, wenn ein Mangel vorliegt (selbstredend unter dem Vorbehalt, dass die weiteren Voraussetzungen für die Mängelrechte – wie z. B. die rechtzeitige Rüge – erfüllt sind). Faktisch wird dies dazu führen, dass der Verkäufer die Nachbesserung selbst durchführen (bzw. durchführen lassen) muss und dass er die Mängelrechte gegenüber den Handwerkern nicht mehr an den Käufer abtreten wird. Mit anderen Worten: Bei einem Mangel an einer Immobilie kann sich der Käufer grundsätzlich direkt an den Verkäufer wenden und dieser muss die Mängelbehebung besorgen bzw. dieser muss mit den jeweiligen Handwerkern die Mängelbehebung organisieren.

Verjährungsfrist

Bereits unter dem geltenden Recht verjähren die Mängelrechte des Käufers bei einem Immobilienkauf erst nach fünf Jahren (Art. 219 Abs. 3 OR; vgl. auch Art. 371 Abs. 2 OR). Fünf Jahre nach Erwerb der Immobilie kann der Käufer keine Mängelrechte gegen den Verkäufer geltend machen – unabhängig davon, ob der Käufer die Mängel bereits entdeckt hat oder nicht.

Bisher konnte die Verjährungsfrist verkürzt werden. Nach neuem Recht ist das nicht mehr möglich: Die fünfjährige Verjährungsfrist ist teilzwingend und kann daher nur verlängert, jedoch nicht verkürzt werden (Art. 219a Abs. 3 und 371 Abs. 3 nOR).

Auswirkung auf SIA-Norm 118

Regelmässig vereinbaren die Parteien – in Ergänzung zu den gesetzlichen und vertraglichen Regelungen – die Anwendung der SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten); da dieses Regelwerk bisher noch nicht an die neuen Regelungen im OR angepasst wurde, kann es zu Widersprüchen kommen (vgl. etwa Art. 179 Abs. 2 SIA-Norm 118). Solange daher die SIA-Norm 118 (Ausgabe 2013) nicht revidiert ist, muss diesem Umstand bei der Vertragsgestaltung besondere Beachtung geschenkt werden.

Bauhandwerkerpfandrecht

Der Vollständigkeit halber ist auch auf die Anpassung im Zusammenhang mit dem Bauhandwerkerpfandrecht hinzuweisen. Der Grundstückeigentümer kann die Löschung des Pfandrechts im Grundbuch verlangen, wenn er für die Forderung samt Zins eine «hinreichende Sicherheit» leistet. Bisher fehlte es an einer hinreichenden Sicherheit, wenn die Verzugszinsen befristet waren; neu genügt es, wenn die Verzugszinsen für zehn Jahre sichergestellt werden (Art. 839 Abs. 3 nZGB).

Übergangsrecht: Ab wann gelten die neuen Bestimmungen?

Für Verträge, die vor dem 1. Januar 2026 abgeschlossen werden bzw. wurden, gelten die bisherigen Regelungen weiter. Haben die Parteien unter altem Recht etwa die Gewährleistungsansprüche wegbedungen (im Rahmen der gesetzlichen Schranken) oder die Verjährungsfristen verkürzt, so gelten diese Regelungen auch unter dem neuen Recht (vgl. Art. 1 Schlusstitel zum ZGB).

Das neue Recht kommt auf Verträge zur Anwendung, die am 1. Januar 2026 oder danach abgeschlossen werden.

Ausblick

Die Teilrevision des OR bringt spürbare Veränderungen mit sich und verändert die Rechtstellung der Käufer bzw. der Bauherren. Es lohnt sich daher, sich frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut zu machen sowie Arbeitsprozesse und Standardvorlagen anzupassen.

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