Was ist der Unterschied zwischen einer Erbeinsetzung und einem Vermächtnis?
Bei der Erstellung eines Testaments oder eines Erbvertrags muss der Erblasser entscheiden, ob er jemanden zum Erben oder zum Vermächtnisnehmer machen will. Die Unterscheidung zwischen einer Erbeinsetzung und einem Vermächtnis ist deshalb wichtig, weil die Rechtsstellung eines Erben in einigen Punkten von derjenigen eines Vermächtnisnehmers abweicht. Nachfolgend wird auf die wichtigsten Unterschiede eingegangen, welche einen Einfluss auf die Entscheidfindung haben können.
Erbeinsetzung
Der Erblasser kann mittels Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge abweichen und im Rahmen des Pflichtteilsrechts eine bzw. mehrere bestimmte Personen als Erben einsetzen. Dabei kann entweder ein Erbe für die ganze Erbschaft oder es können mehrere Erben für Bruchteile an der Erbschaft eingesetzt werden (Art. 483 ZGB). Werden mehrere Erben gemeinsam eingesetzt, bilden sie eine sogenannte Erbengemeinschaft. Zur Erbengemeinschaft gehören die gesetzlichen und/oder die eingesetzten Erben, weshalb sich deren Rechtsstellungen nicht voneinander unterscheiden.
Gegenstand der Erbschaft bilden sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers. Dazu gehört das ganze vorhandene Vermögen bestehend aus Forderungen, Eigentum und Rechte des Erblassers, wobei auch ein Vermögenszuwachs seit dem Todestag (wie Erträge, Dividenden, Zinsen und Ersatzanschaffungen) dazuzählt. Daneben haften die Erben persönlich und grundsätzlich unbeschränkt für alle Schulden des Erblassers (Erblasser-, Todesfall- und übrige Erbgangsschulden).
Vermächtnis
Der Erblasser kann mittels Verfügung von Todes wegen jedoch auch einer bzw. mehreren bestimmten Personen einen Vermögensvorteil als Vermächtnis (auch Legat genannt) zuwenden, ohne diese als Erben einzusetzen (Art. 484 Abs. 1 ZGB). Vermächtnisnehmer werden im Gegensatz zu Erben keine Gesamtrechtsnachfolger und erlangen keine Erbenstellung.
Als Gegenstand von Vermächtnissen kommen alle Vermögensobjekte in Betracht. Es können dies bestimmte Sachen (wie bspw. eine Liegenschaft, ein Schmuckstück oder ein Kunstgegenstand), Rechte (wie bspw. Nutzniessungsrecht, Wohnrecht oder ein Schulderlass) oder auch Geldbeträge sein. Mittels Vermächtnisses kann aber auch ähnlich der Erbeinsetzung die Zuwendung eines bestimmten Bruchteils an der Erbschaft vorgesehen werden (sog. Quotenvermächtnis).
Erwerb der Erbschaft
Die gesetzlichen bzw. eingesetzten Erben erwerben die Erbschaft kraft Gesetzes als Ganzes mit dem Tod des Erblassers (Art. 560 ZGB). Das bedeutet, dass der gesamte Nachlass mit allen Rechten und Pflichten auf die Erben übergeht (sog. Gesamtrechtsnachfolge). Auf diese Weise gehen neben den Nachlassaktiven auch sämtliche Nachlasspassiven auf die Erben über.
Besteht nur ein Erbe wird er Alleineigentümer des Nachlassvermögens, bestehen hingegen mehrere Erben werden diese als Erbengemeinschaft Gesamteigentümer des Nachlassvermögens. Im letzteren Fall können die Erben nur gemeinsam und einstimmig über die Erbschaftsgegenstände verfügen. Die Erbschaftsgegenstände sind mittels Erbteilung unter den einzelnen Erben entsprechend ihren jeweiligen Erbanteilen zu verteilen. Wird die Erbschaft vollständig geteilt, so endet damit auch die Erbengemeinschaft.
Erwerb eines Vermächtnisses
Der Vermächtnisgegenstand geht als Bestandteil des gesamten Nachlassvermögens in einem ersten Schritt ins Eigentum der Erben über. Der Vermächtnisnehmer erwirbt die ihm vermachte Sache somit nicht direkt vom Erblasser selbst, sondern hat einen persönlichen Anspruch auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstands gegen den Vermächtnisschuldner. Er wird damit lediglich zum Gläubiger des Vermächtnisschuldners und wird nicht Teil der Erbengemeinschaft. Vermächtnisschuldner ist in der Regel die Erbengemeinschaft oder ein bestimmter Erbe. Der Vermächtnisschuldner hat den Vermächtnisgegenstand dem Vermächtnisnehmer auszurichten, indem er die dafür erforderliche Handlung unter Lebenden vornimmt. Bei beweglichen Sachen ist somit der Besitz daran zu übertragen und bei Grundstücken ist die Eintragung im Grundbuch zu veranlassen. Falls erforderlich kann der Vermächtnisnehmer seinen persönlichen Anspruch auf Herausgabe mittels Vermächtnisklage gerichtlich durchsetzen.
Da Vermächtnisnehmer nicht zur Erbengemeinschaft gehören, können diese bei der Verwaltung des Nachlassvermögens sowie deren Teilung nicht mitwirken und haben nur eingeschränkte Auskunftsrechte. Sie haften dadurch aber auch nicht für Schulden des Erblassers, es sei denn, der Erblasser habe die Übernahme von Schulden ausdrücklich verfügt.
Fazit
Davon abhängig, ob eine Person mittels Verfügung von Todes wegen als Erbe eingesetzt wird oder dieser ein Gegenstand als Vermächtnis zugewendet wird, bestimmt sich somit auch deren Rechtsstellung im späteren Erbfall. Ein Erbe wird von Gesetzes wegen Eigentümer des Nachlassvermögens inkl. sämtlicher Schulden, wird damit unter Umständen Teil einer Erbengemeinschaft und kann bzw. muss bei der Verwaltung und Teilung der Erbschaft mitwirken. Ein Vermächtnisnehmer hingegen erhält lediglich einen Anspruch auf Herausgabe seines Vermächtnisses, welcher unter Umständen gerichtlich durchgesetzt werden muss, kann an der Verwaltung und Teilung der Erbschaft nicht mitwirken und übernimmt aber auch keine Haftung für Schulden des Erblassers.
Der Erblasser sollte sich dieser Unterscheidungen bewusst sein, um sein Testament bzw. seinen Erbvertrag entsprechend seinem Willen ausgestalten zu können. Die korrekte Abgrenzung und Formulierung sind jedoch nicht immer einfach, weshalb es in der Praxis, insbesondere bei handschriftlich verfassten Testamenten, des Öfteren zu Unklarheiten kommt, ob eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegt.
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