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Wann liegt eine schlüsselfertige Baute nach Art. 6a HG vor?

Wann liegt eine schlüsselfertige Baute nach Art. 6a HG vor?

Die Empörung war gross, als die Grundbuchämter des Kantons Bern die Praxis bei der Veranlagung von Handänderungssteuern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Bauland verschärft haben, umso mehr, da diese Verschärfung wiederholt vom Verwaltungsgericht geschützt wurde. Auf politisches Drängen wurde diese Entwicklung nun etwas gebremst. Dennoch bestehen weiterhin Unklarheiten, ab wann ein Käufer Bauland erwirbt – und somit Handänderungssteuern ausschliesslich auf dem Kaufpreis für das Land zahlt – und wann die Erstellungskosten eines Bauprojekts (sog. schlüsselfertige Baute) ebenfalls der Handänderungssteuer unterliegen.

Über viele Jahre war die Praxis unbestritten. Wer ein unbebautes Grundstück erwirbt und keinen Werkvertrag mit der Verkäuferschaft oder einer ihr nahestehenden Person für die Erstellung eines Bauprojekts abgeschlossen hat, zahlt die Handänderungssteuern lediglich auf dem Kaufpreis für das Bauland. Ebenfalls unbestritten war – und ist immer noch –, dass beim Kauf eines unbebauten Grundstücks, auf welchem die Verkäuferschaft ein Bauprojekt realisiert (z.B. Wohnungen zu Stockwerkeigentum) die Handänderungssteuer auf dem Kaufpreis für das Land sowie den Baukosten erhoben werden. Hier wird sowohl Bauland, wie auch ein Bauprojekt erworben (sog. schlüsselfertige Baute).

In der Praxis wurde die Abgrenzungsproblematik so gelöst, dass die Parteien im Kaufvertrag eine sogenannte „Baulanderklärung“ abgegeben und dadurch bestätigt haben, dass auf dem Bauland aktuell nicht gebaut wird und dass die Käuferschaft mit der Verkäuferschaft (oder nahestehenden Dritten) keine Werkverträge für die Errichtung einer Baute abgeschlossen haben.

Im Laufe der Zeit haben einzelne Grundbuchämter (als Veranlagungsbehörde für die Handänderungssteuern) damit begonnen, vertiefter zu prüfen, ob allenfalls eine schlüsselfertige Baute vorliegt und dadurch mehr Handänderungssteuern geschuldet sind. Dies ging so weit, dass bereits beim Vorhandensein eines Vorprojekts, welches die Käuferschaft in Auftrag gab, eine schlüsselfertige Baute angenommen wurde. Diese Haltung wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern wiederholt geschützt. In der Praxis und der Lehre stiess diese Praxis vermehrt auf Unverständnis und Widerstand. De facto führte diese strenge Auslegung aus steuerrechtlicher Sicht dazu, dass Bauland nur noch erworben werden konnte, wenn noch keine Abklärungen für eine zukünftige Überbauung vorgenommen wurden.

In der Praxis wird sich aber jeder vernünftige Käufer zunächst genau informieren, ob ein Bauprojekt auf dem zu erwerbenden Grundstück realisiert werden kann. Oft wird dazu vor Unterzeichnung des Kaufvertrags ein Vorprojekt in Auftrag gegeben, in einzelnen Fällen liegt im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrags sogar bereits eine Baubewilligung vor oder das Baugesuch wird kurz danach eingereicht.

Dass die Haltung der Grundbuchämter nicht realitätsnah war, hat der Grosse Rat im Frühling 2019 festgestellt und eine Überarbeitung der gesetzlichen Grundlage veranlasst (Motion Haas). Dieses politische Machtwort führte dazu, dass die Grundbuchämter im Mai 2019 ihre Praxis neu definiert haben. Gemäss dieser Praxisänderung ist nicht mehr entscheidend, ob bereits ein Bauprojekt besteht, sondern wer organisatorisch und finanziell dahinter steht (sogenanntes „Motorprinzip“).

Aufhorchen lassen nun aber drei Entscheide des Verwaltungsgerichts vom August 2020, worin an der bisherigen Rechtsprechung unbeirrt festgehalten wird. In diesen Entscheiden wird zwar auf die Kritik aus der Lehre hingewiesen, diese wird aber auch gleich wieder verworfen. Der politische Widerstand sowie die neue Praxis der Grundbuchämter werden mit keinem Wort erwähnt.

In der Praxis wird daher weiterhin unklar sein, wann eine schlüsselfertige Baute vorliegt. Die Praxisänderung der Grundbuchämter vom Mai 2019 lässt wenigstens hoffen, dass die Veranlagungspraxis nicht mehr so streng gehandhabt wird. Allerdings steht diese im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts. Die heute bestehende Rechtsunsicherheit kann wohl erst durch die geplante Revision des umstrittenen Art. 6a des Handänderungssteuergesetzes des Kantons Bern (HG) behoben werden. Dabei ist aber noch nicht klar, ob die Politik der Kritik aus der Lehre oder der aktuellen Praxis des Verwaltungsgerichts folgt.

Bis auf weiteres ist somit beim Kauf von Bauland für die Realisierung eines Bauprojekts Vorsicht geboten. Insbesondere ist es ratsam, das Baugesuch erst einige Zeit nach dem Erwerb des Baulandes und im eigenen Namen einzureichen. Zudem sollte bei der Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit der Überbauung (Vorprojekt, Bauarbeiten etc.) weiterhin jegliche Verbindung zur Verkäuferschaft vermieden werden.

Planen Sie im Zusammenhang mit einem Bauprojekt Bauland zu erwerben? Gerne beraten und begleiten wir Sie mit unserem breiten Know-how bei Fragen zur Handänderungssteuer sowie bei der Umsetzung des Baulandkaufs.

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