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Rächtzytig

Vertretungsrechte

Vertretungsrechte

Handlungen Dritter können eine Person rechtsverbindlich binden. Erfahren Sie mehr über solche Vertretungsrechte und ihre Grenzen.

Vertretung im Allgemeinen

Ein Vertreter bindet mit seinen Handlungen eine andere Person rechtsverbindlich.

Es kann unterschieden werden zwischen gewillkürter Vertretung, gesetzlicher Vertretung und behördlich angeordneter Vertretung.

Eine gewillkürte (gewollte) Vertretung liegt vor, wenn ein Vertreter vom Vertretenen selbst bezeichnet wird (z.B. Generalvollmacht).

Eine gesetzliche Vertretung liegt vor, wenn dem Vertreter das Vertretungsrecht von Gesetzes wegen zusteht, d.h. ohne Mitwirkung der vertretenen Person oder einer Behörde. Als typische Beispiele seien hier genannt: Die Vertretung Minderjähriger durch den Inhaber der elterlichen Sorge (Art. 304 ZGB) oder die Vertretung der Ehegatten (Art. 166 ZGB).

Eine behördlich angeordnete Vertretung liegt vor, wenn das Vertretungsrecht von der zuständigen Behörde in einem formellen Entscheid festgelegt wird (z.B. Errichtung einer Beistandschaft).

Gesetzliche Vertretung im Besonderen

Über gewillkürte Vertretung durch Vollmachten wurde bereits in früheren Newslettern geschrieben. Der heutige Beitrag beschäftigt sich daher schwergewichtig mit der gesetzlichen Vertretung und ihren Eigenheiten.

Im Gegensatz zur gewillkürten Vertretung setzt die gesetzliche Vertretung keine Handlungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit der vertretenen Person voraus.

Üblicherweise sieht das Gesetz eine umfassende Vertretung vor (d.h. nicht nur ein Einzelgeschäft, wie das bei Vollmachten oft der Fall ist) und regelt die Vertretung verbindlich (d.h. ohne Anpassungsmöglichkeiten der Betroffenen), inklusive die Beendigung der Vertretung (z.B. Volljährigkeit der Kinder für das Vertretungsrecht der Sorgeberechtigen, Aufhebung des gemeinsamen Haushalts für das Vertretungsrecht von Ehegatten).

Vertretung von Ehegatten im Speziellen

Jeder Ehegatte vertritt während des Zusammenlebens die eheliche Gemeinschaft für die laufenden Bedürfnisse der Familie (Art. 166 Abs. 1 ZGB). Für die übrigen Bedürfnisse der Familie kann ein Ehegatte die eheliche Gemeinschaft nur vertreten, wenn er vom anderen Ehegatten oder dem Gericht dazu ermächtigt worden ist oder wenn das Interesse der ehelichen Gemeinschaft keinen Aufschub des Geschäftes duldet und der andere Ehegatte wegen Krankheit, Abwesenheit oder ähnlichen Gründen nicht zustimmen kann (Art. 166 Abs. 2 ZGB).

Jeder Ehegatte verpflichtet sich durch seine Handlungen persönlich und, soweit diese nicht für Dritte erkennbar über die Vertretungsbefugnis hinausgehen, solidarisch auch den anderen Ehegatten (Art. 166 Abs. 3 ZGB). Unter welchem Güterstand die Ehegatten stehen (z.B. eine Gütertrennung) ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Wer als Ehegatte mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet, hat von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht, wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht (Art. 374 Abs. 1 ZGB).

Dieses Vertretungsrecht erfasst alle Rechtshandlungen, die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs erforderlich sind und die ordentliche Verwaltung von Einkommen und Vermögen beinhalten. Sofern notwendig ist auch die Befugnis erfasst, die Post zu öffnen und zu erledigen (Art. 374 Abs. 2 ZGB).

Bestehen Zweifel, ob eine Urteilsunfähigkeit eines Ehegatten vorliegt, hat die Erwachsenenschutzbehörde (KESB) über das Vertretungsrecht des anderen Ehegatten zu entscheiden und ihm gegebenenfalls eine Urkunde auszustellen, welche seine Befugnisse wiedergibt (Art. 376 Abs. 2 ZGB).

Kann der Ehegatte die Interessen des Urteilsunfähigen nicht sicherstellen oder gefährdet er diese, so hat ihm die KESB die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz zu entziehen oder eine Beistandschaft zu errichten (Art. 376 Abs. 2 ZGB).

Die KESB muss involviert werden, wenn die Vertretung notwendig und durch den Ehegatten nicht genügend ist oder dieser dazu (nicht mehr) in der Lage ist. Ebenso ist die KESB beizuziehen, wenn die Vertretung des urteilsunfähigen Ehegatten in einer Angelegenheit nötig ist die nicht zur Deckung der laufenden Bedürfnisse gehört und nicht unter die ordentliche Vermögensverwaltung fällt, etwa, wenn ein Grundbuchgeschäft getätigt werden soll. Die KESB kann zudem beigezogen werden, wenn Handlungen zur Deckung der laufenden Bedürfnisse oder der ordentlichen Vermögensverwaltung anstehen, Dritte (z.B. Banken) aber einen Vertretungsnachweis verlangen.

Vertretung bei medizinischen Massnahmen

Ist eine Person urteilsunfähig und muss für medizinische Massnahmen die Zustimmung erteilt oder verweigert werden, so ergreift die Ärztin oder der Arzt in dringlichen Fällen medizinische Massnahmen nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen der urteilsunfähigen Person (Art. 379 ZGB). Im Übrigen sieht Art. 378 Abs. 1 ZGB eine Kaskade von Vertretungsrechten vor:

  1. die in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgeauftrag bezeichnete Person;
  2. der Beistand oder die Beiständin mit einem Vertretungsrecht für medizinische Massnahmen;
  3. wer mit der betroffenen Person als Ehegatte/eingetragener Partner einen gemeinsamen Haushalt führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet;
  4. die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt;
  5. die Nachkommen;
  6. die Eltern;
  7. die Geschwister.

Das Vertretungsrecht in den Fällen 4-7 ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffende Person der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leistet.

Sind mehrere Personen vertretungsberechtigt, so dürfen die gutgläubige Ärztin oder der gutgläubige Arzt voraussetzen, dass jede im Einverständnis mit den anderen handelt (Art. 378 Abs. 2 ZGB).

Empfehlung

Oft ist unklar, ob ein anstehendes Geschäft zu den laufenden familiären Bedürfnissen oder der ordentlichen Vermögensverwaltung gehört. Zudem kann es im Einzelfall schwerfallen, den Nachweis zu erbringen, dass sämtliche Voraussetzungen für das Vorliegen eines gesetzlichen Vertretungsrechts erfüllt sind, etwa das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts oder die Tatsache, dass regelmässig und persönlich Beistand geleistet wird.

Für Private und ganz besonders für Unternehmerinnen und Unternehmer empfiehlt es sich deshalb, zur Ergänzung der gesetzlichen Vertretungsrechte weitere Vorkehren zu treffen. Insbesondere sind private Vollmachten und Unternehmervollmachten zu erteilen sowie Vorsorgeaufträge und Patientenverfügungen zu verfassen und aufeinander abzustimmen.

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