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Rächtzytig

Qualifikation des arbeitsvertraglichen „Bonus“

Qualifikation des arbeitsvertraglichen "Bonus"

Nicht selten vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber arbeitsvertraglich neben dem „Grundlohn“ einen Bonus oder eine Gratifikation. Gerade im Zusammenhang mit Kündigungen wird dann oftmals darüber gestritten, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf einen solchen Bonus resp. eine Gratifikation hat.

Das Bundesgericht befasste sich in den letzten Jahren wiederholt mit der Frage, ob ein arbeitsvertraglich vereinbarter Bonus als Gratifikation im Sinne von Art. 322d OR oder als Teil des Lohns im Sinne von Art. 322 OR zu qualifizieren ist. Im aktuellen Entscheid, BGer 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022, fasst das Bundesgericht die Rechtsprechung zusammen und hält bestätigend fest, dass drei Situationen zu unterscheiden sind:

  1. Variabler Lohn

Ein Bonus stellt einen variablen Lohnanteil dar, wenn ein bestimmter oder aufgrund objektiver Kriterien wie dem Gewinn, dem Umsatz etc. bestimmbarer Bonus vereinbart ist.

  1. Gratifikation, mit Anspruch des Arbeitnehmers (unechte Gratifikation)

Eine Gratifikation zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber zumindest bei der Festsetzung der Höhe des Bonus ein Ermessen zusteht. Ein solches ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird.

Ein Anspruch auf eine Gratifikation ist zu bejahen, wenn grundsätzlich ein Bonus vereinbart wurde, wobei dem Arbeitgeber bei der Bestimmung der Höhe ein gewisses Ermessen verbleibt. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausrichtung kann im schriftlichen oder mündlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann aber auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses durch konkludentes Verfahren entstehen, wie bspw. durch die regelmässige und vorbehaltlose Ausrichtung eines entsprechenden Betrags.

Ist eine Gratifikation im Grundsatz vereinbart, so darf der Arbeitgeber diese nicht gestützt auf Umstände kürzen, von denen der Arbeitgeber nach Treu und Glauben nicht annehmen muss, sie seien für die Ausrichtung der Gratifikation bzw. deren Umfang von Belang.

  1. Gratifikation, ohne Anspruch des Arbeitnehmers (echte Gratifikation)

Im Gegensatz zu einer unechten Gratifikation liegt eine echte Gratifikation vor, wenn gemäss Vertrag sowohl im Grundsatz wie auch in der Höhe Freiwilligkeit vorbehalten wurde. Freiwillig bleibt der Bonus in diesem Fall auch, wenn er Jahr für Jahr ausgeschüttet wird mit dem Hinweis auf seine Freiwilligkeit. Allerdings hilft der Vorbehalt der Freiwilligkeit dem Arbeitgeber nicht, wenn er als nicht ernst gemeinte, leere Floskel angebracht wird, und die Arbeitgeberin durch ihr ganzes Verhalten zeigt, dass sie sich zur Auszahlung einer Gratifikation verpflichtet fühlt.

Muss im Einzelfall die Qualifikation eines arbeitsvertraglichen Bonus geprüft werden, so sind der Arbeitsvertrag sowie die Erklärungen der Parteien auszulegen. Ziel dabei ist es primär, den übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien festzustellen (Art. 18 OR). Falls die tatsächliche Willensübereinstimmung nicht (mehr) festgestellt werden kann, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertragsprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verstanden werden durften und mussten.

Im vorliegend zu beurteilenden Fall bestätigte das Bundesgericht die Auslegung der Vorinstanz, wonach es sich beim vereinbarten Bonus um eine unechte Gratifikation handelt. Wesentlich für diese Qualifikation war, dass der Bonus vom Erreichen der geschäftlichen und individuellen Ziele abhängig war. Hingegen bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber grundsätzlich entscheiden konnte, ob in einem bestimmten Jahr überhaupt eine variable Vergütung ausgerichtet werde.

Haben Sie arbeitsvertragliche Fragen? Häusermann + Partner steht Ihnen mit seiner langjährigen Erfahrung im Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

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