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Rächtzytig

Folgen einer verpassten VR-Wahl

Folgen einer verpassten VR-Wahl

Anfangs Dezember 2021 äusserte sich das Bundesgericht erstmalig zur Frage, ob Verwaltungsräte auch nach Ablauf von sechs Monaten nach dem letzten Geschäftsjahr ihrer Amtszeit weiter im Amt bleiben, wenn keine Generalversammlung nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert worden ist (BGer 4A_496/2021).

Mängel in der Organisation der Gesellschaft

Gemäss Art. 731b OR kann ein Aktionär oder ein Gläubiger dem Gericht bei Vorliegen eines Mangels beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Das Gericht kann insbesondere das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen (Art. 731b 1bis Ziffer 2 OR).

Die Generalversammlung wählt den Verwaltungsrat und die Revisionsstelle (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Dabei handelt es sich um ein unübertragbares und unentziehbares Recht der Generalversammlung. Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden auf drei Jahre gewählt, sofern die Statuten nichts anderes bestimmen.

Nach Art. 699 Abs. 2 OR findet die ordentliche Versammlung alljährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt.

Sachverhalt

Die B. AG (Beschwerdegegnerin) ist Mehrheitsaktionärin der A. AG (Beschwerdeführerin). Die Statuten der Beschwerdeführerin sehen vor, dass die Amtsdauer des Verwaltungsrates ein Jahr beträgt und am Tag der nächsten ordentlichen Generalversammlung endet. Die letzte ausserordentliche Generalversammlung der Beschwerdeführerin fand im April 2019 statt. Da nie eine ordentliche Generalversammlung durchgeführt wurde, verlangte die Beschwerdegegnerin die Einberufung einer ordentlichen Generalversammlung. Diese fand jedoch nie statt. Die Beschwerdegegnerin klagte im Mai 2021 und verlangte die Einsetzung eines Sachwalters sowie die Einberufung einer ordentlichen Generalversammlung.

Bereits die Vorinstanz entschied, dass die Beschwerdeführerin über keinen ordnungsgemäss besetzten Verwaltungsrat mehr verfüge und aus diesem Grund an einem Organisationsmangel leide.

Die Vorinstanz traf in der Folge die erforderlichen Massnahmen, um dem Organisationsmangel abzuhelfen. Sie hiess das Gesuch gut, setzte für die Beschwerdeführerin einen Sachwalter ein und erteilte ihm den Auftrag eine ordentliche Generalversammlung mit Wahl des Verwaltungsrates durchzuführen.

Die Beschwerdeführerin rügte vor Bundesgericht eine fehlerhafte Anwendung von Art. 731b OR. Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass kein Organisationsmangel vorliege, weil die Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres nicht ohne weiteres ende, sondern sich stillschweigend verlängern würde.

Das Bundesgericht befasste sich erstmals mit der Frage, ob die Verwaltungsräte auch nach Ablauf von sechs Monaten nach dem letzten Geschäftsjahr ihrer Amtszeit weiter im Amt bleiben, wenn entgegen Art. 699 Abs. 2 OR innert dieser sechs Monate keine Generalversammlung durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert wurde.

Das Bundesgericht verneinte dies und hielt in seinem Urteil fest, dass mangels rechtskonformer Wiederwahl eines Verwaltungsratsmitglieds, dieses nach sechs Monaten nach dem letzten Geschäftsjahr seiner Amtszeit als Verwaltungsrat ausscheide. Eine Fortsetzung des Mandates greife demnach nur bei einer positiven Willensäusserung der Generalversammlung.

Ist der Verwaltungsrat einmal nicht wiedergewählt, hat dies Auswirkungen auf die Beschlussfähigkeit der Generalversammlung. Eine Einberufung der Generalversammlung durch den nicht ordentlich wiedergewählten Verwaltungsrat stellt einen formellen Mangel dar und ist somit nichtig. Folglich sind sämtliche zukünftigen Beschlüsse der nicht ordnungsgemäss einberufenen Generalversammlung nichtig.

In einem solchen Fall muss alternativ eine Universalversammlung durchgeführt oder das Gericht angerufen werden, um den Mangel in der Organisation zu beheben.

Das Bundesgericht wies abschliessend darauf hin, dass die Verantwortlichkeit für handelnde Verwaltungsräte fortbesteht (faktische Organschaft). Der untätige Verwaltungsrat riskiert somit unter Umständen eine Verantwortlichkeitsklage, wenn er die Wiederwahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Wiederwahl des Verwaltungsrates durch die Generalversammlung zwingend zu erfolgen hat. Wird die Wiederwahl nicht durchgeführt, kann dies schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft aber auch für die Mitglieder des Verwaltungsrates haben, da diese als faktische Organe weiterhin haften.

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