Fallstricke bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen
Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen bildet das Kernstück aller gesellschaftsrechtlichen Transaktionen. Hierbei ist es unumgänglich, dass der Veräusserer diese überhaupt gültig übertragen kann, denn man kann nicht von jemandem Aktien erwerben, der gar nicht Aktionär ist. Zum Vergleich: Auch ein Auto kann nur vom Eigentümer mit dem Schlüssel gekauft werden.
Was auf den ersten Blick simpel klingt, ist in der Praxis oft problematisch. Zusätzlich wurden durch die heutigen Meldepflichten weitere Hürden geschaffen, welche in Transaktionen zu Komplikationen führen können. Überschätzt wird dagegen die Bedeutung des Aktien- oder Anteilbuches sowie die Eintragung als GmbH-Gesellschafter im Handelsregister. Diese sind für die Eigentumsübertragung an den Gesellschaftsanteilen allesamt rein deklaratorisch. In der Praxis werden all diese Fragen spätestens im Rahmen einer Eigentumsprüfung an den Gesellschaftsanteilen (Ownership Due Diligence) und Prüfung der Übertragungskette (Chain of Title Due Diligence) beantwortet.
Erwerbsmöglichkeiten
Häufig werden Gesellschaftsanteile rechtsgeschäftlich erworben, etwa beim Austritt eines Gesellschafters oder bei einer Unternehmensnachfolge. Ein solcher derivativer Erwerb erfolgt gestützt auf ein Verpflichtungsgeschäft, z.B. einen Kaufvertrag. Diese Art des Erwerbs ist abzugrenzen vom originären Erwerb, d.h. dem Ersterwerb von Anteilen bei der Gründung oder bei einer Kapitalerhöhung. Obwohl keine eigentliche Übertragung erfolgt, gibt es auch in dieser Konstellation Fallstricke, etwa wenn die Meldepflichten betreffend die wirtschaftlich berechtigte Person in Vergessenheit geraten.
Schliesslich gibt es den Erwerb von Gesetzes wegen, wobei der Erbgang im Vordergrund steht. Bei einem Erbgang ist insbesondere auf eine korrekte Übertragungskette zu achten. Wenn beispielsweise vererbte Namenaktien in der Erbteilung auf einen Erben übertragen werden und dieser die Aktien wiederum veräussert, müssen alle Schritte in der Indossamentenkette ersichtlich sein (von der Erblasserin via Erbengemeinschaft über den Erben zum Käufer).
Form der Übertragung
Damit ein Käufer Eigentum an den Gesellschaftsanteilen erlangen kann, muss neben der Unterzeichnung des Kaufvertrags (Verpflichtungsgeschäft) auch der Vollzug, also die Übertragung (Verfügungsgeschäft) korrekt stattfinden. Je nach Art der Gesellschaftsanteile geschieht dieser in unterschiedlicher Form:
Die Übergabe von physischen Zertifikaten ist in der heutigen Zeit nur noch selten anzutreffen. In den meisten Fällen werden Gesellschaftsanteile via Zession bzw. Abtretungserklärung auf den Käufer übertragen. Dies geschieht in Form der einfachen Schriftlichkeit, d.h. Originalunterschrift oder qualifizierter elektronischer Signatur mit qualifiziertem Zeitstempel.
Sollen Aktienzertifikate (bei der AG) als verbriefte Wertpapiere übertragen werden, kann dies mittels Indossaments (d.h. Übertragungsvermerk) auf der Rückseite der Aktien und der physischen Übergabe erfolgen. Bei Namenaktien steht zusätzlich die Zession als alternative Übertragungsart offen. Physische Zertifikate sind daher bei einer Transaktion nicht als Sicherheitsleistung geeignet.
Bei Stammanteilen (bei der GmbH) geschieht die Übertragung durch Zession und allfälliger Übergabe verbriefter Anteilscheine. Mit dieser Verfügungsform wird die Übertragung vollzogen. Dem Eintrag des Erwerbers im Aktien- bzw. Anteilbuch kommt hingegen lediglich deklaratorische Wirkung zu, d.h. dieser genügt grundsätzlich nicht als Nachweis, dass Gesellschaftsanteile übertragen worden sind. Wenn jedoch die Übertragende im Rahmen der Transaktion das (zukünftige) Aktienbuch unterzeichnet, etwa in ihrer Funktion als Verwaltungsratspräsidentin, dann könnte dieser Akt im Einzelfall als Zession ausgelegt werden.
Übertragungsbeschränkungen
Vor einer Transaktion sind unbedingt allfällige Übertragungsbeschränkungen sowie spezielle Übertragungsrechte abzuklären. Diese können obligatorisch in einem Aktionärbindungs- bzw. Gesellschafterbindungsvertrag bestehen, oder statutarisch vorgesehen sein (sog. Vinkulierung).
Vertragliche Übertragungsbeschränkungen sind in erster Linie ein Problem des Veräusserers, da er sich allfälligen repressiven Massnahmen (bspw. Konventionalstrafen) aussetzt, wenn er diese nicht beachtet. Diese Bestimmungen sind jedoch auch für den Erwerber relevant, denn der Beitritt des Erwerbers zum entsprechenden Vertrag ist häufig eine Voraussetzung für die Veräusserung der Anteile. Der Veräusserer seinerseits wird dann dazu verpflichtet, seine Vertragspartei zu einem Beitritt anzuhalten. Bei einer statutarischen Vinkulierung ist die Genehmigung für die Übertragung von Gesellschaftsteilen zwingend erforderlich. Ohne die Zustimmung des Verwaltungsrats (bei der AG) beziehungsweise der Gesellschafterversammlung (bei der GmbH) verbleibt das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen und alle damit verknüpften Rechte beim Veräusserer.
Wenn solche Übertragungsbeschränkungen bestehen, sollte bereits im Vorfeld der Transaktion eine Zustimmung zur Übertragung eingeholt werden. Wurde z.B. der Kaufpreis bereits bei Unterzeichnung des Kaufvertrages bezahlt, aber die anschliessende Genehmigung verweigert, kann die Übertragung der Anteile nicht erfolgen. Wurde keine Sicherstellung vorgesehen, kann es für die Käuferin u.U. problematisch werden, den Kaufpreis zurückzuerhalten. Als Grundprinzip sollte die Abwicklung möglichst Zug um Zug (gleichzeitige Übertragung der Gesellschaftsanteile gegen Geld) erfolgen.
Meldung der wirtschaftlich berechtigten Person
Erwerber von nicht börsenkotierten Gesellschaftsanteilen müssen der Gesellschaft, deren Anteile erworben wurden, innert Monatsfrist seit Übertragung der Anteile deren wirtschaftlich berechtigte Person melden (sog. GAFI-Meldung).
Der Erwerb von Gesellschaftsanteilen muss ab Erreichung resp. Überschreitung des Grenzwerts von 25% des Aktien- bzw. Stammkapitals oder der Stimmen gemeldet werden. Sowohl der derivative wie auch der originäre Erwerb sind meldepflichtig. Ebenfalls meldepflichtig ist ein Erwerb in gemeinsamer Absprache, wenn gemeinsam der oben erwähnte Grenzwert erreicht wird. Eine gemeinsame Absprache ist aufgrund des Zusammenwirkens beim Erwerb der Gesellschaftsanteile generell bei Gründungen und auch regelmässig bei Kapitalerhöhungen gegeben, weswegen gerade auch in diesen Fällen eine Meldung erfolgen sollte. Mit der Meldung sind der Gesellschaft Informationen zur wirtschaftlich berechtigten Person zu liefern, welche eine Identifikation ermöglichen (insb. Name und Adresse). Das Gesetz sieht keine besondere Form für die Meldung vor. Zu Beweiszwecken empfiehlt es sich aber, die Meldung schriftlich oder zumindest textlich nachweisbar (beispielsweise per E-Mail) zu erstatten. Der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung der meldungsempfangenden Gesellschaft ist dazu verpflichtet, die formelle Korrektheit der Meldungen zu prüfen. Dahingegen besteht weder das Recht noch die Pflicht zur Überprüfung, ob die Meldung materiell korrekt ist (bspw. ob die gemeldete Person wirklich wirtschaftlich berechtigt ist).
Wenn die Aktionäre bzw. Gesellschafter ihren Meldepflichten nicht nachkommen oder die Meldungen falsch sind, ruhen die Mitgliedschaftsrechte (etwa die Stimmrechte an der Versammlung) sowie die Vermögensrechte (etwa der Dividendenanspruch). Diese sind dann für den Zeitraum, in welchem keine rechtzeitige Meldung erfolgt, verwirkt. Gemäss einem jüngeren Entscheid des Bundesgerichts (BGer 4A_295/2021) sind Generalversammlungsentscheide dann nichtig, wenn sie unter Mitwirkung von Aktionären gefasst wurden, welche allesamt ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind. Es muss daher u.E. davon ausgegangen werden, dass Entscheide ebenfalls nichtig sind, wenn nur ein Teil der Aktionäre/Gesellschafter ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Diese schwerwiegende Rechtsfolge kann nachhaltige Auswirkungen auf die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft haben, man denke nur an nichtige Wahlen, welche ihrerseits die Legitimationsgrundlage für die Exekutive darstellen
Spezialfälle
Es kann in der Praxis vorkommen, dass noch physische Zertifikate bestehen, welche als «Inhaberaktien» bezeichnet werden. Das Gesetz lässt jedoch Inhaberaktien nur noch in Ausnahmefällen – Börsenkotierung und Bucheffekten – zu. Per Gesetz wurden Inhaberaktien am 1. Mai 2021 in Namenaktien umgewandelt. Somit gelten für die Übertragung dieser «Inhaberaktien» heute auch die Regeln der Namenaktien. Sie müssen daher physisch übergeben und indossiert bzw. mittels Abtretungserklärung übertragen (zediert) werden. Empfehlenswert ist, diese als Inhaberaktien betitelten Namenaktien eingezogen und neu ausgegeben werden oder gleich ganz auf die Verbriefung verzichtet wird.
Einen weiteren Spezialfall bilden Bucheffekten, welche mit der Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung bei einer Verwahrungsstelle (bspw. einer Bank) entstehen und auf Effektenkonten gutgeschrieben werden. Deren Übertragung richtet sich nach dem Bucheffektengesetz.
Schliesslich können seit dem 1. Februar 2021 Gesellschaften ihre Anteile digital als Registerwertrechte ausgeben. Durch die Digitalisierung der Aktien in einem Wertrechteregister kann die Aktionärin ihre Aktien online übertragen, wobei die Übertragung den jeweiligen Regeln der Registrierungsvereinbarung folgt. Fehlerhafte Übertragungsketten wie sie bspw. bei Namenaktien aufgrund fehlender Indossierung auftreten, sind bei Registerwertrechten ausgeschlossen.
Clean-up
Regelmässig werden Fehler bei Übertragungen von Gesellschaftsanteilen im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung aufgedeckt. Die Korrektur dieser Fehler ist je nach Situation aufwändig und schwierig, da die Vergangenheit bekanntlich nicht geändert werden kann. Eine fehlende Meldung hindert die Eigentumsübertragung der Anteile zwar nicht, lässt die ruhenden Rechte jedoch immer nur für die Zukunft aufleben. Allenfalls lässt sich aber auch begründen, dass – etwa aufgrund enger persönlicher Verflechtung – die wirtschaftlich berechtigte Person von Anfang an bekannt war.
Bei fehlenden Zertifikaten muss ein gerichtliches Kraftloserklärungsverfahren durchgeführt werden. Nebst grossen Verzögerungen besteht dabei auch die Möglichkeit, dass die Transaktion verunmöglicht wird, sollten diese Zertifikate bei einem anderen Eigentümer auftauchen. Fehlerhafte Indossamenten- oder Zessionsketten stellen eine grosse Herausforderung dar. Ein Lösungsansatz besteht in der Einholung von Bestätigungen sowohl des Ausgangs- wie auch der Zwischengesellschafter, was im Extremfall bis zum Gründungszeitpunkt zurückgehen muss. Insbesondere bei lange zurückliegenden Kettenunterbrüchen ist dieser Ansatz in der Praxis jedoch kaum umsetzbar, namentlich wenn es zwischenzeitlich Erbfälle gegeben hat.
Fazit
Zurückkommend auf die Eingangsfrage: Wer kauft ein Auto ohne Schlüssel? Und wer kauft Aktien von jemandem, der nicht Aktionär ist? Unsere tägliche Erfahrung zeigt, dass hier leider viel zu häufig Fehler gemacht werden. Diese Versäumnisse können im Nachhinein leider nur bedingt nachgeholt werden und eine Berichtigung ist in jedem Fall mit erheblichem Aufwand verbunden.