Der Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen – Bundesgericht präzisiert Rechtsprechung
Joanis Halter, Rechtsanwalt
Michel Jost, MLaw
Per 1. Januar 2019 wurde unter anderem mit dem neuen Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG der Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen erweitert, indem die oder der Betriebene beim Betreibungsamt ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte stellen kann (vgl. unseren Newsletter vom Dezember 2018). Das Bundesgericht hat sich kürzlich in drei Entscheiden zum Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen geäussert und damit die Rechtsprechung präzisiert.
Eine Betreibung wird Dritten unter anderem dann nicht zur Kenntnis gebracht, wenn die Betreibung nichtig ist oder aufgrund einer Beschwerde oder eines gerichtlichen Entscheids aufgehoben wurde. Weiter besteht seit 2019 für den Schuldner die Möglichkeit, nach Ablauf der Frist von drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls, beim Betreibungsamt ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung einzureichen. Der Gläubigerin obliegt es dann darzulegen, dass sie rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet hat. Erbringt sie den Nachweis nicht innert 20 Tagen, gibt das Betreibungsamt Dritten von der Betreibung keine Kenntnis mehr.
In dem in Bundesgerichtsurteil BGE 147 III 41 zugrunde liegenden Sachverhalt erhob die Betriebene Rechtsvorschlag gegen die eingeleitete Betreibung. Die Gläubigerin reichte sodann ein Gesuch um Rechtsöffnung ein, auf das das Gericht aber nicht eingetreten ist. Daraufhin stellte die Betriebene ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung, welches das Betreibungsamt abwies. Die Abweisung des Gesuchs wurde durch das Bundesgericht bestätigt.
Die Betriebene argumentierte, dass mit dem Rechtsöffnungsentscheid ein gerichtlicher Entscheid vorliege, der die Betreibung aufhebe. Diese Ansicht lehnte das Bundesgericht ab, da ein Rechtsöffnungsentscheid weder den Fortgang der Betreibung hindere, noch eine Wirkung auf den materiellen Bestand der Forderung habe. Das Unterliegen der Gläubigerin im Rechtsöffnungsverfahren stellt dementsprechend keinen Grund dar, die Betreibung Dritten nicht mehr zur Kenntnis zu bringen.
Ca. ein Jahr später, stellte die Betriebene erneut ein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung, was zu einem weiteren Bundesgerichtsentscheid führte (BGer 5A_927/2020). Grund für das neue Gesuch war, dass die Gläubigerin ihr Recht, während einem Jahr seit Zustellung des Zahlungsbefehls ein Fortsetzungsbegehren zu stellen, nicht wahrgenommen hat. Verzichtet die Gläubigerin auf eine Fortsetzung, so fällt die Betreibung dahin. Das Bundesgericht lehnte aber trotzdem auch in diesem Fall die Beschwerde ab, da der Schutzzweck von Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG darin bestehe, zwischen gerechtfertigter und ungerechtfertigter Betreibung zu unterscheiden, was aber mit dem Dahinfallen der Betreibung gar nicht mehr möglich sei.
In diesem Zusammenhang verwies das Bundesgericht aber auf die weiteren Möglichkeiten der Betriebenen, um sich vor ungerechtfertigten Betreibungen zu schützen. Dabei hob es insbesondere die Klage zur richterlichen Aufhebung und Einstellung der Betreibung hervor (Art. 85a SchKG). Diese Klage dient unter anderem auch als Mittel zur Bereinigung des Betreibungsregisters und wäre im vorliegenden Fall die zu bevorzugende Vorgehensweise gewesen.
In Urteil BGer 5A_701/2020 hatte das Bundesgericht einen Fall zu beurteilen, in welchem der Betriebene Rechtsvorschlag gegen die Betreibung erhob, danach jedoch die Forderung des Gläubigers bezahlte und nach Ablauf von drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls ein Gesuch um Nichtbekanntgabe einreichte. Das Bundesgericht hatte dementsprechend zu prüfen, welche Folge die Tilgung der Forderung nach Zustellung des Zahlungsbefehls betreffend Nichtbekanntgabe der Betreibung hat. Das Bundesgericht führte dazu aus, dass ein Gesuch um Nichtbekanntgabe nur dann möglich sei, wenn die Forderung bestritten ist. Sofern der Betrag beglichen wird, sei von einer Anerkennung der Schuldpflicht auszugehen, was eine ungerechtfertigte Betreibung ausschliesse, weshalb diese folglich Dritten bekannt gegeben werden müsse.
Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden, dass kein Anspruch auf Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte gemäss Art. 8a Abs. 3 lit d SchKG besteht, wenn:
- der Schuldner die Forderung (teilweise) nach Zustellung des Zahlungsbefehls begleicht;
- die Gläubigerin die Betreibung fortsetzt (auch dann, wenn auf das Fortsetzungsbegehren nicht eingetreten wird);
- nach Ablauf von einem Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls, da die Betreibung in diesem Fall dahinfällt. Eine Bereinigung des Betreibungsregisters müsste in diesem Fall über eine Klage nach Art. 85a SchKG erfolgen.
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