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Das Wohnrecht als Gegenleistung bei der Grundstückschenkung

Das Wohnrecht als Gegenleistung bei der Grundstückschenkung

Franco Crespi, Notar
Michel Jost, MLaw

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt, dass ein Wohnrecht, welches sich ein Schenker am verschenkten Grundstück vorbehält, eine Gegenleistung darstellt. In einem neueren Entscheid (5A_472/2020) hatte das Bundesgericht zu entscheiden, wie es sich mit einem Wohnrecht verhält, für welches eine Gegenleistung erbracht wird.

Unabhängig von der Person des Beschenkten unterliegt eine Grundstückschenkung der Herabsetzung, wenn sie nicht ausgeglichen wird und entweder zur Umgehung der Pflichtteile vorgenommen oder während der letzten fünf Jahre vor dem Tod des Schenkers ausgerichtet wurde.

Bei Schenkungen an einen Erben dient die Herabsetzungsklage in erster Linie dazu, die Pflichtteile der anderen Erben zu schützen. Werden die Pflichtteile von Erben durch das Verschenken von Vermögenswerten durch den Erblasser verletzt, so werden die verschenkten Vermögenswerte bei der Berechnung der Pflichteile mitberücksichtig. Die Erbteile der übrigen Erben werden „herabgesetzt“, bis die klagenden Erben den ihnen zustehenden Pflichtteil erhalten.

Erfolgt eine Grundstückschenkung unter Vorbehalt eines Wohnrechts oder einer Nutzniessung zugunsten des Schenkers, so gilt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass nur der unentgeltliche Teil der Schenkung der Herabsetzung unterliegt. Das Bundesgericht geht somit von einer gemischten Schenkung aus; dies im Gegensatz zur herrschenden juristischen Lehre, welche denselben Sachverhalt als reine Schenkung qualifiziert.

Diese Unterscheidung hat erhebliche Konsequenzen. Der erbrechtliche Anrechnungswert entspricht nämlich im Fall der reinen Schenkung dem Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des Todes des Schenkers. Bei der gemischten Schenkung wird hingegen der Kapitalwert des Wohn- oder Nutzniessungsrechts von diesem Verkehrswert in Abzug gebracht.

Der Fall, den das BundesgMieticht nun zu beurteilen hatte, handelt vom Erblasser F, welcher zwei Kinder aus erster Ehe, zwei weitere Kinder aus zweiter Ehe sowie seine zweite Ehefrau hinterliess. 1996 schenkte F seiner zweiten Ehefrau ein Grundstück, wobei er sich an diesem Grundstück ein Wohnrecht vorbehielt, verbunden mit der Verpflichtung, sämtliche Belastungen inklusive der Hypothekenbelastungen zu übernehmen. Nach dem Versterben von F erhoben die beiden Kinder aus erster Ehe eine Herabsetzungsklage gegen die Kinder aus zweiter Ehe sowie die zweite Ehefrau.

In diesem Fall ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, dass die Leistungen von F, welcher im Rahmen des vorbehaltenen Wohnrechts sämtliche mit dem Grundstück verbundenen Lasten übernommen hatte, eine Gegenleistung von nicht geringem Wert darstellte, weshalb bei der Herabsetzung der gesamte (Verkehrs-)Wert des Grundstücks – ohne Abzug des Kapitalwerts des Wohnrechts – zu berücksichtigen ist. Das Bundesgericht berücksichtigte also im vorliegenden Fall bei der Wertbestimmung des Grundstücks, dass für das Wohnrecht eine Gegenleistung erbracht worden war.

Bei der lebzeitigen Abtretung eines Grundstücks an einen Nachkommen, und ganz besonders bei der Schenkung an den Ehepartner, eingetragenen Partner oder Lebenspartner, sind die Folgen einer Herabsetzung zu berücksichtigen sowie die nötigen Vertragsgestaltungen und Ausgestaltungen von Wohn- und Nutzniessungsrechten umsichtig zu planen und gegebenenfalls mit einer letztwilligen Verfügung zu ergänzen.

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