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Rächtzytig

Baubeschränkungen – Dienstbarkeiten als Bauhindernis

Baubeschränkungen – Dienstbarkeiten als Bauhindernis

Joana Brogini, Rechtsanwältin und Notarin
Nico Roggwiller MLaw, Notariatskandidat

Viele Bauherren konzentrieren sich bei einem Bauvorhaben auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben, da diese im Baubewilligungsverfahren massgeblich sind. Die meisten Dienstbarkeiten werden bei der Beurteilung der Baurechtskonformität bzw. Bewilligungsfähigkeit gar nicht berücksichtigt – es sei denn, diese wären von öffentlich-rechtlicher Relevanz. Was jedoch, wenn dem an sich zulässigen Bauvorhaben eine seit Jahrzehnten bestehende private Baubeschränkung entgegensteht?

Was sind Dienstbarkeiten?

Dienstbarkeiten sind beschränkt dingliche Rechte, die Nutzungs- oder Gebrauchsrechte an einer Sache verleihen oder die Ausübung des Eigentumsrechts beschränken.

Eine Dienstbarkeit entsteht mit dem Eintrag im Grundbuch. Dieser setzt einen öffentlich beurkundeten Vertrag voraus. Der Inhalt einer Dienstbarkeit kann – je nachdem – ein Dulden oder ein Unterlassen seitens des belasteten Grundeigentümers zum Inhalt haben. Ein zusätzliches Unterscheidungskriterium besteht in der Art des Berechtigten. Ist der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks berechtigt, liegt eine Grunddienstbarkeit vor, ist eine natürliche oder juristische Person berechtigt, liegt eine Personaldienstbarkeit vor.

 

Wo besteht das grösste Konfliktpotenzial?

In der Praxis bergen Bau- und Pflanzhöhenbeschränkungs-Dienstbarkeiten bzw. sogenannte Aussichtsservitute sowie kombinierte Bau- und Nutzungsbeschränkungen (beispielsweise sogenannte Villendienstbarkeiten) am häufigsten ein hohes Konfliktpotenzial. Die meisten Konflikte entstehen, wenn aus diesen Dienstbarkeiten, strengere Bau- und Nutzungsvorschriften hervorgehen, als dass sie das öffentliche Baurecht vorsieht.

 

Wie kann eine solche Dienstbarkeit beseitigt werden?

Eine Verjährung von Dienstbarkeiten durch Nichtausübung ist im Schweizer Recht nicht vorgesehen. Somit muss die Löschung einer unliebsamen Dienstbarkeit in den meisten Fällen beantragt werden. Die einfachste Möglichkeit ist die Löschung mittels schriftlicher Zustimmungserklärung der berechtigten Person.

Stimmt die berechtigte Person der Löschung einer Dienstbarkeit nicht zu (was bei bauhindernden Dienstbarkeiten regelmässig der Fall sein dürfte), kann die belastete Person die Löschung einer einzelnen Dienstbarkeit verlangen, wenn der Grundbucheintrag höchstwahrscheinlich keine rechtliche Bedeutung mehr hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Eintrag nach den Belegen oder den Umständen das Grundstück aufgrund von früheren Grundstücksteilungen örtlich nicht mehr betrifft. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid im Zusammenhang mit einer Baubeschränkung entschieden, dass das erforderliche Interesse an einer Dienstbarkeit nicht mit dem blossen Hinweis auf die Entwicklung eines Quartiers und die Verdichtung der Besiedelung begründet werden kann. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, wie sich die Entwicklung des Quartiers konkret auf die Umgebung und die Lage des berechtigten Grundstücks auswirkt und ob sich der Zweck der Dienstbarkeit noch erreichen lässt. Eine Dienstbarkeit dürfe nicht zu einem anderen Zweck aufrechterhalten werden als zu jenem Zweck, zu dem sie ursprünglich errichtet worden ist.

Ein weiteres Argument für die Löschung von bestehenden Baubeschränkungen stellt das überwiegend öffentliche Verdichtungsinteresse dar. Öffentlich-rechtliche Bauvorschriften oder Sondernutzungspläne vermögen bestehende Dienstbarkeiten nicht von sich aus ausser Kraft zu setzen. Dienstbarkeiten können jedoch im Rahmen einer gesamthaften Interessenabwägung in einem Quartierplanungsverfahren oder im Baubewilligungsverfahren abgelöst werden. Die Behörden können in einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung prüfen, ob eine Ablösung möglich ist, wenn öffentliche Interessen die privaten Interessen deutlich überwiegen. Dies kann der Fall sein, wenn überwiegende öffentliche Verdichtungsinteressen bestehen, Dienstbarkeiten zwingenden Bauvorschriften widersprechen oder Dienstbarkeiten, die eine im öffentlichen Interesse notwendige rationelle Nutzung des Bodens verunmöglichen. Dies unter dem Vorbehalt, dass ein genügendes Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten diese Folge nicht rechtfertigt.

 

Wie kann ein Dienstbarkeitsberechtigter gegen ein Bauvorhaben vorgehen?

Wenn Verletzungen von Dienstbarkeiten drohen, kann sich der Dienstbarkeitsberechtigte vor der Bauausführung präventiv zur Wehr setzen, indem er auf Unterlassung des Bauvorhabens klagt. Wird eine drohende Dienstbarkeitswidrigkeit festgestellt, wird dem Bauherrn regelmässig verboten, das geplante Bauvorhaben auszuführen. Versäumen es die dienstbarkeitsberechtigten Nachbarn zivilrechtlich gegen geplante oder bereits bewilligte Bauvorhaben vorzugehen, um deren Realisierung zu verhindern, steht ihnen auch nachträglich noch die Möglichkeit offen, den Rückbau der bereits erstellten Bauten zu verlangen. Die finanziellen Folgen eines solchen Rückbaus können je nach Situation erheblich ausfallen.

 

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bestehende Bau- und Nutzungsbeschränkungen grosse Auswirkungen auf ein geplantes Bauvorhaben haben können und im schlimmsten Fall ein Gerichtsverfahren zur Löschung solcher Dienstbarkeiten angestrebt werden muss. Dem Argument der verdichteten Bauweise wird zukünftig immer stärkere Bedeutung zukommen.

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