Aufgeschobene Grundstückgewinnsteuern - Vorsicht bei unentgeltlichen Handänderungen
Franco Crespi, Notar
Thomas Wanner, Notariatskandidat
Durch die Gewährung eines Steueraufschubes bei der Grundstückgewinnsteuer verzichtet der Gesetzgeber auf einen steuerlichen Zugriff zum Zeitpunkt der Gewinnerzielung und verschiebt diesen auf den Zeitpunkt der nächsten Veräusserungshandlung. Eine fehlende Berücksichtigung einer latenten Steuer kann im Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Handänderung aber zu unerwünschten Ergebnissen führen.
Steueraufschub bei unentgeltlicher Handänderung und Übernahme latenter Steuern
Das Gesetz sieht die Möglichkeit des Steueraufschubes bei Ersatzbeschaffungen (Reinvestitionen), bei Handänderungen unter Ehegatten sowie bei unentgeltlichen Handänderungen vor. Auf letztere wird nachstehend eingegangen. Der Gesetzgeber zählt im Steuergesetz des Kantons Bern drei Arten der unentgeltlichen Handänderung auf: Schenkung, Erbgang (Erbfolge, Erbteilung, Vermächtnis) und Erbvorbezug. In diesen drei Fällen wird die Besteuerung des Grundstückgewinns – ungeachtet des Anrechnungswertes (!) – aufgeschoben. Weiter hält der Gesetzgeber fest, dass die Erwerber bei einer unentgeltlichen Handänderung sämtliche aufhaftenden latenten Steuerlasten übernehmen, da sie in die Rechtsstellung ihrer Rechtsvorgänger eintreten.
Achtung: Den latenten Steuerlasten ist eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die fehlende Berücksichtigung kann insbesondere im Rahmen einer Erbteilung zu unerwünschten Ergebnissen führen.
Praxistipp: Aus einem früheren Steueraufschub vorhandene Steuerlasten können über eine Registeranfrage bei der Steuerverwaltung des Kantons Bern, Abteilung Grundstückgewinnsteuern, in Erfahrung gebracht werden.
Auswirkungen der latenten Steuer
Ein bestehender Steueraufschub im Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Handänderung wirkt sich also erst bei einer späteren Weiterveräusserung des Grundstücks aus und trifft den dannzumaligen Veräusserer (also z.B. nur den veräussernden Erben, der das Grundstück früher im Rahmen einer Erbteilung erworben hat).
Bei einer Weiterveräusserung eines aus unentgeltlicher Handänderung erworbenen Grundstücks werden die Grundstückgewinnsteuern ausgehend von den Gestehungskosten berechnet. Dabei kann wahlweise entweder der amtliche Wert im Zeitpunkt der Schenkung, des Erbganges oder des Erbvorbezuges als Erwerbspreis (ohne Rücksicht auf einen Ausgleichungswert oder auf geleistete Ausgleichszahlungen) berücksichtigt werden, oder die höheren, also den amtlichen Wert übersteigenden, Anlagekosten des Rechtsvorgängers. Der Besitzesdauerabzug wurde mit der unentgeltlichen Handänderung nicht unterbrochen und kann bis zur letzten entgeltlichen Handänderung zurück geltend gemacht werden.
Insbesondere bei der Übernahme eines Grundstückes infolge einer Erbteilung, eines Erbvorbezuges oder einer Schenkung wird nach dem Gesagten durch die erwerbende Person eine latente Steuerlast übernommen.
Berechnung und Berücksichtigung
Im Zeitpunkt der Erbteilung oder des Erbvorbezuges sollte immer eine Berechnung der latenten Grundstückgewinnsteuern erfolgen.
Wird bei der Erbteilung oder beim Erbvorbezug der vereinbarte Teilungs- oder Anrechnungswert ausgehend vom Verkehrswert des Grundstückes festgelegt, so wird dabei die latente Steuerlast in der Regel zu berücksichtigen sein. Eine Berücksichtigung der latenten Steuer ist in der Regel aber eher nicht angebracht, wenn der Teilungs- oder Anrechnungswert deutlich unter dem Verkehrswert des Grundstückes festgesetzt wird (z.B. auf Basis des amtlichen Werts).
Ferner kann gesagt werden, dass der latente Steuerbetrag nur dann vollumfänglich vom Anrechnungswert abzuziehen ist, wenn eine Weiterveräusserung in naher Zeit geplant ist. Wenn keine kurzfristige Weiterveräusserung geplant ist, drängt sich eine teilweise Berücksichtigung des Steuerbetrages auf.
Eine Nichtberücksichtigung der latenten Steuer wird in der Regel nur angezeigt sein, wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine der Grundstückgewinnsteuer unterliegende Weiterveräusserung frühestens in der nächsten Generation erfolgen wird.
Ein Beispiel zur Illustration
Die Geschwister D, F und K erben von ihrer Mutter im Jahre 2022 gemeinsam ein Vermögen von CHF 900’000.00. Weitere Erben sind nicht vorhanden. In der Erbschaft befindet sich ein Grundstück, das von den Erben übereinstimmend auf einen Verkehrswert von CHF 300’000.00 geschätzt wird. Die Mutter hatte diese Liegenschaft im Jahre 1988 für CHF 180’000.00 erworben und seither keine wertvermehrenden Investitionen getätigt. Der amtliche Wert im Jahre 2022 beträgt CHF 200’000.00. D übernimmt nun bei der Erbteilung im Jahre 2022 in Anrechnung an seinen Erbanteil das Grundstück zum Verkehrswert von CHF 300’000.00.
Die Erbteilung löst im Kanton Bern keine Handänderungssteuern aus. Die Grundstückgewinnsteuer wird bei der Erbteilung aufgeschoben. Die Erbteilung bewirkt wie beschrieben bezüglich der Grundstückgewinnsteuer einen Steueraufschub.
Erbe D, der das Grundstück aus der Erbteilung übernommen hat, kann also bei einem späteren Verkauf als Erwerbspreis nicht den in der Erbteilung berücksichtigten Teilungswert von CHF 300’000.00 geltend machen, sondern nur den amtlichen Wert im Zeitpunkt des Erbganges oder die Anlagekosten des Rechtsvorgängers. Da vorliegend die Anlagekosten der Mutter von CHF 180’000.00 tiefer als der amtliche Wert (CHF 200’000.00) ausfallen, wäre in diesem Beispiel sinnvollerweise der amtliche Wert geltend zu machen.
Verkauft D die Liegenschaft nun beispielsweise 1 Jahr später zum Preis von CHF 300’000.00 an einen Dritten, ergibt sich ein Rohgewinn von CHF 100’000.00 (Erlös von CHF 300’000.00 abzgl. amtlicher Wert im Zeitpunkt der Erbteilung von CHF 200’000.00), abzüglich dem maximalen Besitzesdauerabzug von 70% auf dem realisierten Gewinn (letzte entgeltliche Handänderung im Jahr 1988, gemäss Steuergesetz maximale Berücksichtigung von 35 Jahre Besitzesdauer à 2%) verbleibt ein Grundstückgewinn von CHF 30’000.00, welcher zur Besteuerung gelangt. Dadurch verliert der Erbe 10% des Vermögenswertes, den er sich in der Erbteilung hat anrechnen lassen. Solche Situationen können sich insbesondere ergeben, wenn Liegenschaften, die in der Erbteilung übernommen worden sind, unvorhergesehen und eventuell unter Zeitdruck verkauft werden müssen.
Um eine Ungleichbehandlung der Erben zu vermeiden, empfiehlt es sich im Rahmen der Erbteilung bei der Festlegung des Teilungswertes dem bisher nicht besteuerten Grundstückgewinn (latente Steuern) Rechnung zu tragen.
Fazit
Bei einer unentgeltlichen Handänderung ist Vorsicht geboten. Latente Grundstückgewinnsteuern sollten in jedem Fall berechnet und je nach Situation bei der Festsetzung von Teilungs- und Anrechnungswerten berücksichtigt werden (auch eine zeitlich abgestufte Regelung ist denkbar). Nur so kann gewährleistet werden, dass eine Schenkung, ein Erbvorbezug oder eine Erbteilung nicht zu unerwünschten Ergebnissen bzw. zu Ungleichbehandlungen führt.