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Rächtzytig

Altlasten in der Schweiz: Rechtsrahmen und Weg zur Bewältigung

Altlasten in der Schweiz: Rechtsrahmen und Weg zur Bewältigung

Dana Fäs, BLaw, Praktikantin
Yannik Riesen, MLaw, Anwaltskandidat

Die Gesamtfläche aller belasteten Standorte in der Schweiz entspricht der Fläche des Kantons Zug (ca. 239 km2). Von diesen 4’000 sanierungsbedürftigen Standorten muss pro Standort durchschnittlich mit Kosten von rund 1 Million Franken gerechnet werden. Bis im Jahr 2040 sollen gemäss Bund alle nötigen Sanierungen abgeschlossen sein. Doch wie sieht das Vorgehen bis zur erfolgten Sanierung aus und wer hat nun diese hohen Sanierungskosten zu tragen?

Altlasten in der Schweiz

Der Ursprung der heutigen Altlastenbelastung auf Grundstücken ist auf den ehemals nachlässigen Umgang und die nicht umweltgerechte Entsorgung von Abfällen zurückzuführen. Die effektive Belastung durch Altlasten entsteht erst durch die Auswaschung von Schadstoffen mit Sickerwasser, was zu einer Verunreinigung des Grundwassers, der Oberflächengewässer und der Luft führt. Die hohe Siedlungsdichte in der Schweiz verstärkt diesen Effekt zusätzlich, da viele belastete Standorte in unmittelbarer Nähe empfindlicher Grundwasservorkommen liegen. Die erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen erscheinen offenkundig. Dennoch gehen mit diesen Belastungen nicht nur Umweltschäden einher, sondern auch wirtschaftlicher Verlust und beträchtliche Sanierungsaufwendungen.

Politischer und rechtlicher Rahmen

Angesichts dieser Herausforderungen hat der Bund ambitionierte Ziele formuliert und entsprechende Vorschriften und Rahmenbedingungen erlassen: Bis 2028 sollen sämtliche erforderlichen Untersuchungen erfolgt und bis 2040 alle erforderlichen Sanierungsmassnahmen abgeschlossen sein. Dies erscheint zum aktuellen Zeitpunkt etwas ausser Reichweite – dennoch steht die Schweiz im internationalen Vergleich gut da.

Die rechtlichen Grundlagen wurden durch das Umweltschutzgesetz (USG), die Altlastenverordnung (AltlV) und praxisnahe Vollzugshilfen des BAFU[1] geschaffen. Zudem wurde der VASA-Altlasten-Fonds durch den Bund etabliert, um finanzielle Unterstützung bereitzustellen.

Vorgehen und Verfahren

Im von Bund und Kantonen erstellten Kataster, einem raumbezogenen Register, sind alle belasteten Standorte über das Internet abrufbar. In der Schweiz sind etwa 38’000 solcher Standorte erfasst, von denen rund 4’000 tatsächlich einen Sanierungsbedarf aufweisen (erst 1’700 wurden bereits saniert). Diese belasteten Standorte umfassen ehemalige Ablagerungsstandorte, Betriebsstandorte, Unfallstandorte sowie Schiessanlagen.

Ist auf einem Grundstück ein solcher Katastereintrag eingetragen, obliegt es der zuständigen kantonalen Behörde, im Kanton Bern beispielsweise der Bau- und Verkehrsdirektion, zunächst zu prüfen, ob von dem belasteten Standort nachteilige Umwelteinwirkungen zu erwarten sind. Wenn schädliche oder störende Einwirkungen wahrscheinlich sind, ist nach dem aktuellen Umweltschutzgesetz eine historische und technische Untersuchung erforderlich.

Das Ergebnis aus der (Vor-)Untersuchung führt zur Einstufung und Massnahmen der folgenden Kategorien:

(1) Keine weiteren altlastenrechtlichen Massnahmen notwendig: Damit ist die Angelegenheit abgeschlossen.

(2) Überwachung notwendig: Die Behörde fordert die Erstellung eines Überwachungskonzepts, damit zu einem späteren Zeitpunkt eine konkrete Gefahrenfeststellung möglich ist.

(3) Sanierung notwendig (Altlasten im rechtlichen Sinn): Eine konkrete Gefahr für schädliche Einwirkungen besteht und die Behörde verlangt daher eine zeitnahe Durchführung einer Detailuntersuchung und die fortlaufende Überwachung des Standorts bis zur abgeschlossenen Sanierung.

Die Sanierungsmassnahmen (3) hat primär der Grundstückeigentümer umzusetzen, wobei die kantonale Behörde das Projekt auch gleich selbst übernehmen kann. Sie kann aber auch Beurteilungen abgeben und entsprechende Verfügungen erlassen. Als Sanierungsmassnahmen kommen insbesondere Dekontamination oder Sicherungsmassnahmen in Frage. Beispielsweise kann eine Versiegelung des Bodens mit Asphalt oder ein Aushub des belasteten Materials vorgenommen werden. Dies erfordert oft ein hochstrukturiertes, aufwändiges und kostenintensives Sanierungsprojekt.

Wer trägt nun die (Sanierungs-)Kosten?

Um die finanzielle Verantwortung einzelnen Verursachern zuzuweisen, nehmen Lehre und Rechtsprechung eine Unterscheidung zwischen dem Verhaltensstörer und dem Zustandsstörer vor.

Der Verhaltensstörer ist jene Partei, die durch ihre Handlungen direkt zur Umweltbelastung beigetragen hat (unabhängig von ihrer Kenntnis über die potenzielle Gefährlichkeit ihrer Handlungen). Eine Mülldeponie oder eine Fabrik sind beispielhafte Verhaltensstörer.

Der Zustandsstörer ist die Partei, die über den belasteten Standort die rechtliche und tatsächliche Herrschaft hat. Ein typisches Beispiel ist der Grundeigentümer oder Nutzniesser. Obwohl dieser die Belastung nicht zu verantworten hat, befinden sich die schädlichen Stoffe auf seinem Grundstück, wodurch er potenziell haftbar wird. Eine Entlastung von den Kosten ist oft nur möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass er bei Erwerb des Grundstücks keine Kenntnis von der bereits bestehenden Belastung hatte.

Abhängig von der Störerart (Verhaltens- oder Zustandsstörer), also der Verantwortung des jeweiligen Akteurs auf die Standortbelastung, werden die Kosten verteilt. Damit wird primär das Verursacherprinzip angewendet. In der Vollzugshilfe des BAFU und der gefestigten Rechtsprechung (vgl. BGE 139 II 106 E. 5.1) wird von einer Bandbreite von ca. 10-30% der Kosten dem Zustandsstörer und ca. 60-90% der Kosten dem Verhaltensstörer auferlegt. Dabei kann es insbesondere beim Zustandsstörer dann zu einer Abweichung kommen, wenn beispielsweise kein wirtschaftlicher Vorteil aus der Sanierung gezogen werden kann (keine neuen Nutzungsmöglichkeiten, keine verbesserte Verkäuflichkeit des Grundstückes) – dann können auch Kosten weit unter 10% auferlegt werden.

Bei der Festlegung der Kosten droht in der Praxis oft ein aufwändiges und langwieriges Verfahren über die exakte Aufschlüsselung. Neben einer privaten Vereinbarung der Beteiligten am runden Tisch wird das Verfahren meist durch Erlass einer Kostenverteilungsverfügung der zuständigen Behörde abgeschlossen. Diese öffentlich-rechtliche Verfügung legt die individuellen Kostenanteile der Verursacher im kantonalen Verwaltungsverfahren fest.

Unter Umständen bietet der VASA-Fonds des Bundes eine finanzielle Beteiligung.

Fazit

Nur mit einem umfangreichen und kostspieligen Sanierungsprojekt kann das mit Altlasten belastete Grundstück von den schädlichen Einwirkungen befreit werden. Die Kostenübernahme hat grösstenteils der Verhaltensstörer als direkter Verursacher zu tragen. Aber auch der meist «unschuldige» Eigentümer – Zustandsstörer – hat seinen Teil als Art Abgeltung für eine allfällige Wertsteigerung des Grundstückes beizutragen. Der Bund greift den Verursachern auf Antrag mit finanzieller Hilfe des VASA-Altlasten-Fonds unter die Arme. Um diese Altlastenproblematik erfolgreich zu bewältigen, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema sowie ein koordiniertes und methodisches Vorgehen erforderlich.

 

[1] BAFU: Bundesamt für Umwelt

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